Dada wird 100 Jahre alt. Mit ihren künstlerischen Artikulationen prägten die Dadaisten maßgeblich die Kunstentwicklung im 20. Jahrhundert. Anlässlich des Jubiläums widmet sich die Ausstellung „Dada Afrika. Dialog mit dem Fremden“ erstmalig der dadaistischen Rezeption außereuropäischer Kulturen und
deren Kunst. Die Schau zeigt, wie sehr sich die Dadaisten auf nicht-westliche Ausdrucksformen bezogen, um neue Wege zu beschreiten. Impulsgebend für das Jubiläumsprojekt war die erste Dada-Ausstellung in der Zürcher Galerie von Han Coray. Unter dem Titel „Dada. Cubistes. Art Nègre“ wurden hier bereits
1917 avantgardistische und afrikanische Kunstwerke gemeinsam präsentiert. In fünf Sektionen zeigt „Dada Afrika“ mit einem erweiterten Fokus den Dialog zwischen dadaistischen Arbeiten und afrikanischen, asiatischen, amerikanischen und ozeanischen Artefakten. Ausstellung und Katalog sind in Kooperation mit dem Museum Rietberg in Zürich entstanden.
In Reaktion auf den Ersten Weltkrieg stellte Dada die bürgerlichen Normen und kulturellen Wertvorstellungen grundsätzlich in Frage. Künstlerische Ausdrucksformen hatten radikal anders zu werden. In der Kunst und Kultur „Nicht-Europas“ wurde ein schlüssiger Gegenentwurf erkannt. Mit dem ästhetischen (Auf-)Bruch war für die Dadaisten auch die Idee einer gesellschaftlichen Erneuerung verbunden. Schon die Expressionisten und Kubisten waren an den formalen Elementen außereuropäischer Artefakte zur Entwicklung einer neuen Bildsprache interessiert. Die Dadaisten gingen darüber hinaus, indem das vermeintlich „Fremde“ mit dem „Eigenen“ zusammengebracht wurde. Marcel Janco ließ sich unter anderem für seine dadaistischen Bilder und Masken von Artefakten aus Kamerun inspirieren. Sophie Taeuber-Arp zeigte sich wiederum von der Ausdruckskraft indigen nordamerikanischer und südafrikanischer Gestaltungen beeindruckt. Tristan Tzara wurde auf literarischer Ebene von afrikanischen und australischen Texten zu seinen „Poèmes nègres“ angeregt, und Hugo Ball berief sich bei seinen materialreichen Kreationen auf ozeanische Vorbilder.
Mit spartenübergreifenden Inszenierungen aus Musik, Text und Tanz attackierten die Dadaisten den gängigen Kunstbegriff. Die Darbietung von afrikanisch anmutenden Lautgedichten, Trommelrhythmen und Maskentänzen – spontan, vital und elementar – sollten das Publikum schockieren sowie die Distanz zwischen Geschehen und Betrachter aufheben. Mit Bezugnahme auf das vermeintlich „Primitive“ wurden gleichzeitig Grenzen des eigenen Körpers und des Bewusstseins ausgelotet. Innerhalb der Ausstellung werden die Auftritte und Inszenierungen mit Hilfe von historischen Fotografien, Dokumenten und Ton-Beispielen dokumentiert. Hannah Höchs Collagen aus der Serie „Aus einem ethnographischen Museum“ bilden einen weiteren Kristallisationspunkt der Ausstellung. In ihren grotesk anmutenden Werken verbindet die Dadaistin Abbildungen nicht-westlicher Artefakte mit solchen „weißer“ Körperlichkeit. Diese Collagen werden nun vis-à-vis mit den Originalobjekten aus Afrika, Asien und Ozeanien gezeigt, die Höch motivisch verarbeitet hat und die sich heute zum Teil im Besitz des Museums Rietberg befinden – nur ein Beispiel der ungewöhnlich fruchtbaren Zusammenarbeit zweier Häuser mit gänzlich verschiedenem Sammlungsprofil.
Die Ausstellung beschreibt eine historische Situation. Insofern werden rassistische und kolonialistische Termini wie „primitiv“ oder „nègre“ in der Schau allenfalls als historisches Zitat in Anführungsstrichen verwendet. Die Begriffe wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Gesellschaften in Afrika, aber auch Ozeanien projiziert, die als ursprünglich empfunden wurden.
Text: Berlinische Galerie | Foto: Berlinische Galerie
Externer Link: Berlinische Galerie
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