von Julius Tambornino //
In Zeiten eines rapide sich zuspitzenden Prozesses der politischen Entfremdung zwischen Polen und dem größten übrigen Teil der europäischen Gemeinschaft hat besonders auch die Kultur zu leiden, obwohl die doch vielleicht noch am ehesten in der Lage wäre, Brücken wieder aufzubauen. Ob es den Morsbroicher Ausstellungsmachern um Hauptkuratorin Stefanie Kreuzer zum Zeitpunkt der ersten Planungen dieser Ausstellung bewusst war, wie brisant die Lage bis heute werden würde, sei dahingestellt – mit Miroslaw Balka präsentieren sie im September jedenfalls nicht nur einen der international bekanntesten zeitgenössischen polnischen Künstler überhaupt. Sie zeigen auch denjenigen, der seit den 80er Jahren am vehementesten, wenn auch subtilsten angetreten ist gegen das Vergessen der Gründe dafür, warum der Zusammenhalt in Europa so wichtig ist, und beweisen einmal mehr ihr gutes Gespür in programmatischen Fragen.
War in Balkas frühem, vor allem skulpturalen Werk noch der menschliche Körper als figuratives Element sehr stark vertreten, entwickelte er zunehmend einen meisterlichen Umgang mit dessen Abwesenheit. In wesentlich reduzierten Arrangements, die mit alltäglichen Gegenständen spielen und sie materiell entkernen, nimmt der Mensch immer noch jederzeit eine zentrale Rolle ein – jetzt aber als Fehlstelle, als jemand, der seine Spuren hinterlassen hat und den der Betrachter mit seiner Erinnerung ersetzt.
„In meiner Arbeit geht es vielmehr ums Verstecken als darum, Dinge zu zeigen“, sagt der Künstler selbst dazu und weist auf seine besondere Arbeitsweise hin, die die hohe Beteiligung eines Publikums mit einbezieht, das sich als Spurenleser auf die Suche nach den Hintergründen begeben muss. Balka bezog sich dabei in der Vergangenheit immer wieder auf die Schattenseiten der polnischen Geschichte und insbesondere auf die Konsequenzen aus der Schreckenszeit unter den Nazis. Es sind insbesondere auch solche Spuren des Menschseins, die er in seiner Kunst verarbeitet, ohne dass er jedes Mal explizit darauf hinweisen muss.
Die in enger Zusammenarbeit mit dem Museum konzipierte Schau in Morsbroich ist, wenn man so möchte, der letzte Teil einer Ausstellungs-Trilogie, die in den letzten drei Jahren sein Gesamtwerk retrospektiv beleuchtet, und richtet sich voll und ganz auf das subjektive Erfahren an sich. Nachdem Balka in Lodz Zeichnungen und Skulpturen und in Mailand seine Videos und Installationen zeigen konnte, darf er vor dem Morsbroicher Publikum seine konzeptuelle Seite voll ausbreiten. Das Museum zeigt den durchweg abstrakten Teil seines Œuvres, dessen Zweck für Balka selbst es auch war, dem Betrachter einen schärferen Sinn für seine eigene Körperlichkeit auf den Weg mitzugeben. Wir sollen beim Durchlaufen seiner Schau ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass unser Erfahrungsapparat weit über das Sehen hinausgeht und sich eben auch maßgeblich über die räumliche Erfahrung des körperlichen Daseins konstituiert. Eine Bewusstseinserweiterung, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Miroslaw Balka. Die Spuren
24.9.2017 – 7.1.2018, Museum Morsbroich
Gustav-Heinemann-Str. 80, D-51377 Leverkusen
Tel.: +49-214-855560
Di – So 11 – 17 Uhr, Do 11 – 21 Uhr
Eintritt: 5,50 €, erm. 4 €
www.museum-morsbroich.de
Text aus der kunst:art 57
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