Artsplash | 30 Jahre Europäischer Filmpreis – Europa im Wandel

9. Dezember 2017 | Haus der Berliner Festspiele

Mike Downey, Marion Döring, Antonio Saura, Erika und Ulrich Gregor und Wim Wenders (v.l.n.r.) auf der Bühne zum Empfang von Creative Europe Desks zum 30. Europäischen Filmpreis in Berlin. Foto von Nadja Naumann.

Am 9. Dezember 2017 wurde der 30. Europäische Filmpreis im Haus der Berliner Festspiele in Berlin verliehen und es war eine höchst denkwürdige Veranstaltung. Ich kann mich noch gut an die 20. Preisverleihung in der Arena im Treptower Park 2007 erinnern, in der wir als Pressevertreter bis in die frühen Morgenstunden mitfeiern durften. Europa lebte sich selber mit all seinen Annehmlichkeiten und über die Möglichkeit eines Brexit hätte man vermutlich schallend gelacht. Zehn Jahre später ist alles anders, denn die Gefahr, dass Europa auseinanderbrechen könnte, lässt die Filmbranche aufschrecken. Die freiheitlichen Werte sind ins Wanken geraten und so fiel die Eröffnungsrede des Präsidenten der Europäischen Filmakademie, Wim Wenders, höchst emotional aus.

Blick in den Presseraum, 30. Europäischer Filmpreis. Foto von Nadja Naumann.

Bereits am Vorabend der Preisverleihung schwor der Festivaldirektor der Berlinale, Dieter Kosslick beim Empfang von Creative Europe Desks Media in seiner Laudation in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften die geladenen Gäste auf „Culture First“ ein. Eine schöne Geste kam von Wim Wenders, der die Eminenzen des Deutschen Films, Erika und Gregor Ulrich, auf die Bühne bat. 1985 wurde die Idee eines Europäischen Filmpreises in ihrer Küche geboren und von Anfang an waren die Gregors sich einig: Osteuropa sollte unbedingt dazu gehören. Da war an den Fall der Mauer noch lange nicht zu denken.

Preisträgerin Alexandra Borbély beim Q&A nach der Preisverleihung des 30. Europäischen Filmpreis. Foto von Nadja Naumann.

Doch zurück zur Preisverleihung. Während Wim Wenders nach seinen Eröffnungsworten Tränen in den Augen hatte, rannen diese bei Alexandra Borbély ungebremst über die Wangen, denn sie wurde als beste Schauspielerin für ihre Rolle in dem ungarischen Film „Körper und Seele“ ausgezeichnet. Sie rang unter Tränen nach Worten: „Ich kann nicht sprechen.“ Regisseurin Ildikó Enyedi wischte sich ebenfalls Tränen aus den Augenwinkeln, denn sie hatte die gebürtige Slowakin für die weibliche Hauptrolle in ihrer außergewöhnliche Liebesgeschichte „Körper und Seele“, die mit dem Goldenen Bären auf der diesjährigen Berlinale ausgezeichnet worden war, besetzt.

Klare Worte für die kritische politische Situation in Polen, Ungarn, Tschechien und der Türkei fand der russische Filmemacher Alexander Sokurov („Russian Ark“), der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Mit großer Sorge sieht er der politischen Entwicklung auch in seinem eigenen Land entgegen und fürchtet um die errungene Freiheit.

Wer meinte, damit hätte es sich mit den emotionalen Momenten erledigt, der irrte. Die großartige französische Schauspielerin und Regisseurin Julie Delpy („Lolo – Drei ist einer zu viel“), die für Beste europäische Leistung im Weltkino ausgezeichnet wurde, nutzte die große Öffentlichkeit um auf ihr akutes Problem aufmerksam zu machen. Drei Wochen vor Drehbeginn ist ein Förderer ihres neuesten Filmprojektes abgesprungen und der Regisseurin fehlen 600.000 Euro. „Ich werde am 15. Dezember mit dem Drehen beginnen“, gab sie sich kämpferisch. Mit viel Charme und Humor präsentierte sie die Idee einer Tombola, deren Hauptgewinn ein Frühstück mit ihr sei. Moderator des Abends Thomas Hermanns war der erste, der für 100 Euro ein Los erwarb.

Die schwedische Gesellschaftssatire „The Square“, die in diesem Jahr in Cannes auf den Internationalen Filmfestspielen die Goldene Palme gewann, war die große Gewinnerin des Abends: Bestes Drehbuch, Beste Regie, Beste Komödie, Bester europäischer Film, bestes Szenenbild und Bester Schauspieler. Für den dänischen Schauspieler Claes Bang bedeutet der Film der internationale Durchbruch. Er bekomme jetzt wöchentlich mindestens ein Drehbuch zugeschickt, erzählte er der Presse nach der Verleihung. Regisseur Ruben Östlund hat trotz des überwältigenden internationalen Erfolges seines Films nicht die Absicht, den Sprung nach Hollywood zu wagen. Man würde in der Traumfabrik viel zu schnell seine Ideale verlieren, meinte er der Presse gegenüber. „The Square“ nimmt den gängigen Kunstbetrieb unter die Lupe und die dort gepflegten Eitelkeiten. Wer ihn noch nicht gesehen hat: unbedingt nachholen!

Seit über einem Jahr in Berlin und Location der After Show Party, die Stone Brewing Berlin im Marienpark. Foto von Nadja Naumann.

Die After Show Party fand – ich war nicht dabei – in der Stone Brewing Berlin statt. Was aber super war, die Brauerei hatte die Presse am Vormittag der Verleihung zur Besichtigung der Brauerei und zum Lunch eingeladen. Stone Brewing ist in San Diego/USA beheimatet und auf Craft Bier spezialisiert. Entgegen dem allgemeinen Trend, das immer weniger Bier getrunken wird, erfreut sich das Craft Bier zunehmender Beliebtheit. Thomas Schulz zeigte uns mit viel Engagement die Brauerei und das Beste war natürlich, dass wir drei Sorten Bier probieren durften. Der Lunch selber schmeichelte in drei Gängen dem Gaumen und war ein absoluter Hochgenuss.

Der Europäische Filmpreis wird aller zwei Jahre in Berlin verliehen und 2018 in Sevilla/Spanien.

Alle Preisträger sind unter www.europeanfilmawards.eu zu finden.

 

 

Text und Fotos: Nadja Naumann

 

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