Innenraum des Außenraums

29.11.2019 - 29.3.2020 | Haus der Kunst

Auf den ersten Blick hat man Azulejos vor dem inneren Auge – die einstige von Schönheit beseelte architektonische Dekoration wohlhabender Häuser: Szenen aus dem Fischerleben, Liebesidylle am Dorfbrunnen, die großen katholischen Heiligen, deren Macht das Haus vor Unglück schützen soll. Doch bei Adriana Varejaos Arbeiten handelt es sich nicht um Fliesen, sondern um großformatige Ölbilder in vielen blauen Schattierungen, und auch die Motive sind weitaus weniger lieblich.

Die brasilianische Künstlerin blickt in die Vergangenheit, auf jene Druckblätter über die Urvölker Brasiliens, die sich gegen die Invasion der (meist portugiesischen oder spanischen) Eroberer wehrten und getreu ihrem Glauben den toten Gegner verspeisten, um dessen Seele und Kraft in sich aufzunehmen. Den Kannibalismus als Begriff brachte Christoph Kolumbus mit seinem Bericht über das Volk auf der Insel Hispaniola nach Europa.

Die aus Nigeria stammende Njideka Akunnyili Crosby thematisiert in ihrem Werk den weiten Weg, der sie zunächst aus einem kleinem Dorf in Nigeria in die Hauptstadt Lagos führte und später nach Pennsylvania in die USA, wo sie studierte und begann, ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Die Portugiesin Leonor Antunes greift kunstgeschichtliche Themen und konkrete Elemente des Innenraums wieder auf und versetzt sie in den heutigen Kontext. Die in Zwickau geborene Henrike Naumann benutzt Erinnerungsgegenstände und gebrauchte Möbel aus Hitlers Berghof auf dem Obersalzberg, um sie in einen neuen Kontext zu setzen, den sie samt architekturaler Beschaffenheit als Ruinenwert bezeichnet.

Innenleben. Njideka Akunyili Crosby, Leonor Antunes, Henrike Naumann, Adriana Varejão
bis zum 29.3.2020
Haus der Kunst
Prinzregentenstr. 1
D-80538 München
Tel.: +49-89-21127113
Mo – So 10 – 20 Uhr, Do 10 – 22 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.hausderkunst.de

Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Haus der Kunst
Erstveröffentlichung in kunst:art 71