Wenn der Wald zu sehr duftet

23.05.2020 - 08.08.2021 | Zentrum für Kunst und Medien

Es knistert. Langsam fährt die Kamera durch einen Wald, der aus lauter illuminierten Punkten besteht. Plötzlich beginnt ein Baumstamm zu leuchten und versprüht grünes Licht. Wie gebannt taucht man ein in ein Biotop, in dem die Absonderung ätherischer Stoffe durch Pflanzen auf erstaunliche Weise in Erscheinung tritt.

Doch der magische Eindruck täuscht. Denn der „Atmospheric Forest“ – eine Video-Installation von Rasa Smite – visualisiert mittels Lidar-Scans die Auswirkungen des Klimawandels auf einen alpinen Nadelwald in der Schweiz. Und beweist als Ergebnis eines dreijährigen Forschungsprojekts, dass Emissionen und Duft der Bäume mit steigender Trockenheit zunehmen.

Die Arbeit ist zurzeit im Rahmen der interdisziplinär entstandenen Ausstellung „Critical Zones“ im ZKM in Karlsruhe zu sehen. Als „Kritische Zone“ wird in den Geowissenschaften die Erdoberfläche – mit den darunterliegenden Gesteinsschichten und der darüber befindlichen Atmosphäre – bezeichnet. Sie ist nur wenige Kilometer dick und doch entscheidend für das Leben auf unserem Planeten.
Im ZKM setzt das Kuratorenteam von Peter Weibel, Bettina Korintenberg und Daria Mille auf Aufklärung: Man möchte mit der Schau, einer virtuellen Plattform, zahlreichen Workshops und Aktionen im öffentlichen Raum ein Bewusstsein dafür schaffen, in welch enger und fragiler Verbindung sämtliche Elemente der „Kritischen Zone“ – Gestein, Wasser, Luft, Pflanzen und Tiere – zueinander stehen.

Die Ausstellung ist in sechs Segmente unterteilt. Im Bereich „Beobachtung“ gelangt man in den assoziativen Nachbau eines Critical Zone Observatoriums, das sich real in den Vogesen befindet. In dem Freiluftlabor geht es um die mit Sensoren vorgenommene Erhebung von Daten, zum Beispiel um die chemische Untersuchung von Fluss- und Regenwasser oder die Erfassung seismischer Wellen in der Erdkruste – mit dem Ziel, den natürlichen Kreislauf von Biosphäre und Hydrosphäre besser zu verstehen. Teil II informiert über das Phänomen der sogenannten „Geisterflächen“. Das sind die Gebiete, die durch Globalisierung und Handel zu unserer Versorgung beitragen. Eine Installation zum Lithium-Abbau in der bolivianischen Uyuni-Wüste oder Fotos von verlassenen Minen in Afrika zeichnen eine ganz eigene „Karte der Abhängigkeiten“.

Dass auch Kleinstelemente der „Critical Zone“, wie beispielsweise Bakterien, wesentlich zum Gleichgewicht des Planeten beitragen, wird unter dem Begriff „Gaia“ in Teil III vermittelt. Tatsächlich verändert die Aktivität aller Pflanzen und Lebewesen das sensible Gefüge der Kritischen Zone, sodass nicht nur der sichtbare Schwund der Artenvielfalt, wie das derzeitige Korallen- oder Baumsterben, fatale Folgen hat.

Neu sensibilisiert gelangt man über Teil IV („Erdkunde“), in dem das Wesen spezifischer Orte beleuchtet wird, und das „Vermessen“ ungewöhnlicher Territorien (Teil V) schließlich zur letzten Station. Dort gibt das ZKM – unter dem Motto „Terrestrisch werden“ – Impulse für regenerative Schritte und den weltweiten Austausch von Forschungsergebnissen.

 

Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik
bis zum 8.8.2021
ZKM | Zentrum für Kunst und Medien
Lorenzstr. 19
D-76135 Karlsruhe
Tel.: +49-721-81000
Mi – Fr 10 – 18 Uhr, Sa + So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 5 €
www.zkm.de

Text: Dr. Julia Behrens
Bild: ZKM
Erstveröffentlichung in kunst:art 76

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