Was ursprünglich als Ausstellung aus eigenen Beständen mit Werken von Rupprecht Geiger, Max Ackermann, Rolf Cavael, Fred Thieler und Conrad Westpfahl konzipiert war, hat sich als überaus abwechslungsreiches Kaleidoskop der informellen Kunstäußerungen entwickelt. In vier Einzelausstellungen beleuchtet die Kunsthalle Schweinfurt diesen Herbst nun diese spannende Kunst der frühen Nachkriegszeit. Den Beginn macht mit Hubert Berke ein heute eher wenig bekannter Vertreter aus dem Kölner Raum. Eine monografisch angelegte Schau mit Arbeiten von Albert Fürst gibt es in der Sparkassengalerie zu sehen. Die „Positionen des deutschen Informel. Von Ackermann bis Zangs“ in der Großen Halle der Kunsthalle bilden bei dem Projekt den größeren Rahmen, innerhalb dessen der Kunstverein zudem sein besonderes Augenmerk auf die Druckgrafik legt.
Das Informel entstand nach den traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs auf der Suche nach neuen bildnerischen Ausdrucksmöglichkeiten als Gegenbewegung zur geometrischen Abstraktion. Mit einer lyrisch-abstrahierenden, oft grafisch inspirierten Gebärdensprache wird der Bildfindungsprozess zu einem Zusammenwirken der schöpferischen unbewussten Geste des Künstlers und einer absichtsvollen Handlung des Malens oder Zeichnens. Stetiger Wandel und Werden prägen den Entstehungsprozess auf der Suche nach dem Unbekannten. Emil Schumacher beispielsweise beschäftigte sich mit den sieben zentralen Themen Form, Linie, Farbe, Materie, Zerstörung, Raum und Natur. So weitläufig der Begriff Informel auch ist, so ist doch jeder der unter ihm subsumierten Künstler von Peter Brüning über Karl Fred Dahmen und Gerhard Fietz bis hin zu Fritz Winter Individualist und informeller Grenzgänger. Erfundene Zeichen, Farb-Rhythmen, unterschiedliche Materialien, die in die Farbe gemischt wurden – all das diente zum Ausdruck einer besonderen Künstlerindividualität, eines persönlichen Gefühls. Jan Soldin von der Kunsthalle Schweinfurt: „Das Informel als eine übergegenständliche oder besser gegenstandsentbundene Ausdrucksform, die in ihren abstrakt-farbrhythmischen Malgesten als bewusster Gegensatz gegen die Kunstdiktatur der Nazizeit und das heroische Menschenbild verstanden wurde, galt in den 1950er Jahren als Ausdruck der neuen politischen Ordnung“.
Es handelte sich nicht nur um einen künstlerischen, sondern auch einen moralischen Neuanfang. Dieses Bemühen um eine neue Kunst im Nachkriegsdeutschland beschreibt Rupprecht Geiger treffend: „Die Welt schreit nach Erneuerung oder Untergang. Die Abkehr vom Gegenständlichen, der Ekel vor den Dingen, die auf den Menschen bezogen sind, hat seinen tiefen Grund. Diese Menschheit hat sich zutiefst verdächtig gemacht. Der herrlichste Frauenkörper hat nun den Makel auf dem Leib, die Frucht dieser bösen Sippe zu tragen.“
In der Kunsthalle werden die Künstler nicht nur nach ihrer Zuordnung in den verschiedenen Gruppen gezeigt. Anhand von ausgewählten Themen wie „Netzwerk Rheinland–Franken“, Aufträge im sakralen, öffentlichen und privaten Raum, die informelle Landschaft, die Rolle von Musik oder die informelle Plastik werden diese vielfältigen Stilrichtungen gegenstandsloser Kunst dem Publikum vertraut gemacht.
Stefan Simon lebt und arbeitet in Süddeutschland.
Positionen des deutschen Informel
23.9.2021 – 9.1.2022
Kunsthalle Schweinfurt
Rüfferstr. 4
D-97421 Schweinfurt
Tel.: +49-9721-514721
Di – So 10 – 17 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 4 €
www.kunsthalle-schweinfurt.de
Text: Stefan Simon
Bild: Kunsthalle Schweinfurt
Erstveröffentlichung in kunst:art 81