Seit zehn Jahren sind die Werke der Bildhauerin und vielseitigen Künstlerin Mary Sibande in Südafrika, Frankreich oder Brasilien in diversen Ausstellungen zu sehen. Diesen Sommer werden nun erstmalig ihre Installationen, Fotografien sowie lebensgroßen Figuren in Deutschland, im Kunstpalais Erlangen, gezeigt. Dabei arrangiert die Kuratorin und Direktorin des Hauses, Amely Deiss, eine abwechslungsreiche Schau.
Den Zugang findet Sibande als Designerin. Dabei verleiht sie ihren Fotografien, Design, Skulpturen oder auch Collagen immer ein persönliches Statement. So setzt sie sich in ihren Werken mit Ungleichheit, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Hass auseinander. Was wiederum Ursprung in ihrer sehr persönlichen Auseinandersetzung mit eigenen und familiären Erfahrungen im Zuge der Apartheid in Südafrika findet. Dafür hat die Künstlerin sich teilweise auch eines alternativen Stilmittels bedient, eines „Alter Ego“. In ihrem Fall ist es „Sophie“. Sie trägt das Konterfei der Künstlerin und erfährt im Laufe der künstlerischen Tätigkeit eine Wandlung. Originär stand sie stellvertretend als Hausmädchen für die Situationen des damaligen Alltages, dies entwickelt Sibande stetig weiter.
Insgesamt kann die bisherigen Schaffenszeit der Künstlerin in drei verschiedene Zyklen eingeteilt werden. Jedem Zyklus ist eine bestimmte Farbe zugeordnet. Denn diese repräsentieren, wie auch die Kleidung in den jeweiligen Performances und Installationen, gesellschaftspolitische Postionen der schwarzen Bevölkerung zu Zeiten der Apartheid und darüber hinaus.
So ist „Sophie“ zu Beginn von Sibandes Schaffenszeit in einer blau-weißen Hausmädchen-Uniform gekleidet, als Symbol für eine der wenigen Tätigkeiten für die ärmere dunkelhäutige Bevölkerung zu der Zeit der 1940er- bis Anfang 1990er-Jahre. Gefangen, im wahrsten Sinne zu der damaligen Zeit, lässt Sibande „ihre“ „Sophie“ in eine Traumwelt entfliehen und drückt diese andere Welt in ihren Werken aus.
So „erlebt“ „Sophie“ in ihrer Welt auch Emanzipation. Dies ist anhand der farblichen Entwicklung der Kostüme der Protagonistin zu erkennen. So wechselt die blau-weiße Uniform in die Kleidung des viktorianischen Zeitalters, um die Ambivalenz zwischen der Enge des Korsetts und der mondänen Lebensart als Herrscherin darzustellen. Eine andere „Sophie“ befindet sich in einer Kriegszeit, wo sie als General eine Armee in den Sieg führt. Das lilafarbene Kleid gilt als Symbol des politischen Erwachens auch der Frauen zum Ende der Apartheid. Zurzeit zeichnet Sibande ihr Werk „The Locus“ (2019) in Rot, um damit der andauernden Ungleichheit innerhalb der südafrikanischen Gesellschaft Ausdruck zu verleihen.
Die weiteren Werke, die um die raumgreifende Installation „A Reversed Retrogress: Scene 1 (The Purple Shall Govern)“ aus dem Jahr 2013 arrangiert sind, erzählen mit der künstlerischen Entwicklung eine gesellschaftspolitische Geschichte. Diese ist farbgewaltig und ausdrucksstark in den Skulpturen und Fotografien von Mary Sibande dargestellt und verleiht so der südafrikanischen Historie Stimme und Bild, mitten in Europa.
Margarethe Nießen interessiert sich als Historikerin für gesellschaftliche Entwicklungen auch über Europa hinaus.
Mary Sibande
30.7. – 23.10.2022
Kunstpalais Erlangen
Palais Stutterheim
Marktplatz 1
D-91054 Erlangen
Tel.: +49-9131-862735
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 4 €, erm. 2 €
www.kunstpalais.de
Text: Margarethe Nießen
Bild: Kunstpalais Erlangen
Erstveröffentlichung in kunst:art 86