Max Slevogt im Saarlandmuseum
Rote Erde, knorrige Bäume, Kakteen, Büffelschädel im Sonnenuntergang und wilde Schießereien. Der Wilde Westen mit seinen territorialen Kämpfen in weiter Prärie wird bis heute vielfach rezipiert. Meist träumen die berühmten Heldenepen von einer romantisierten, kernigen Männerwelt, in der Helden staubbedeckt auf Pferderücken entweder verbrüdert oder verfeindet mit „Indianern“ Abenteuer erleben. Diese Szenerie faszinierte auch Max Slevogt, welcher den meisten nicht direkt in den Sinn kommen würde, wenn es um amerikanische Geschichte geht. Doch Slevogt illustrierte mit Leidenschaft Bücher und grafische Arbeiten des oft rohen Wild-West-Genres im Kontrast zu seinen berühmten impressionistischen Landschaftsgemälden. Von Juni bis Oktober werden die Grafiken nun im Saarlandmuseum zu sehen sein, anschaulich ergänzt um großformatige Buchausgaben der „Lederstrumpf-Erzählungen“ und des „Waldläufers“.
Die gezeigten Werke sind Ausdruck seines persönlichen Interesses und bezeugen zudem die außerordentliche zeichnerische Begabung des Malers. Wenige Linien transportieren kraftvolle Bewegungsillusionen, wie „Coranna fängt den Gelben Jack mit dem Lasso“ (1905) zeigt. In skizzenhafter Strichführung erweckt er dynamisch und packend Wildwestromane wie die ausgestellten Lederstrumpf-Erzählungen zum Leben. Doch neben der dargestellten Dramatik in Szenen von Kämpfen zwischen Einwanderern und amerikanischen Ureinwohnern zeichnet Slevogt unbeabsichtigt dem heutigen Betrachter auch ein Bild von stereotypen Vorstellungen seiner Zeit. Reflektierend greift die Ausstellung dies thematisch auf und führt erweiternd in eine zeitkritische Betrachtung der dargestellten Protagonisten.
In drei Sektionen gegliedert stellt das Ausstellungsarrangement besondere Aspekte der Auseinandersetzung Slevogts mit der Thematik heraus: die Darstellungen flüchtiger Bewegungen, Landschaft als Kulisse und die Gestaltung der gezeigten Personen. Geprägt durch damals vorherrschende Klischees der Wildwestfantasie zeichnete Slevogt einerseits Figurentypen als eine Vermischung fiktiver Charaktere aus Romanen. Andererseits dienten ihm, um Authentizität bemüht, neben fiktiven literarischen Vorlagen auch Studienobjekte indigener Völker Nordamerikas zum Vorbild, welche er teilweise im Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin anfertigte.
Mit rund siebzig selten gezeigten Arbeiten auf Papier aus dem Bestand der Modernen Galerie, darunter zahlreiche Buchillustrationen und Grafiken, aber auch freie Blätter, ist “Slevogt und der ‚Wilde Westen’“ eine gleich doppelt „persönliche“ Ausstellung. Von der Faszination des Künstlers inspiriert, wählte Louise Raschwitz, welche die Schau zum Abschluss ihres wissenschaftlichen Volontariats kuratierte, die Zeichnungen der Wild-West-Motive aus, da diese sie durch ihre Lebendigkeit und Dynamik begeisterten. Diese wiederum eröffnen dem Betrachter die spannende und selten gezeigte Seite des berühmten Malers, seine Leidenschaft zur Präriekultur.
Johanna Bayram lebt und arbeitet im Rheinland und im Saarland.
Slevogt und der „Wilde Westen“
24.6. – 1.10.2023
Saarlandmuseum
Moderne Galerie
Bismarckstr. 11-15
D-66111 Saarbrücken
Tel.: +49-681-99640
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 9 €
www.modernegalerie.org
Text: Johanna Bayram
Bild: Saarlandmuseum
Erstveröffentlichung in kunst:art 92