Römische Künstlerkommune

Tischbein-Atelier mit Kopie nach Tischbein

Das Casa di Goethe in Rom

Für Männer der gehobenen Schicht war es im 18. Jahrhundert durchaus üblich, einige Zeit nach Italien, und dann auch unbedingt nach Rom zu reisen. Der wohl bekannteste Italien-Reisende dieser Zeit war Johann Wolfgang von Goethe, der still, heimlich und vor allem inkognito sein geordnetes Leben in Weimar verließ, um gut 21 Monate Rom und Italien zu entdecken. In dieser Zeit lebte Goethe in der Via del Corso 18 in einer sehr frühen Künstlerkommune. Sein bekanntester Mitbewohner war Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der das ikonische Goethe-Bild „Goethe in der römischen Campagna“ 1787 in ebendieser Wohnung schuf.

In seiner heutigen Form wurde das „Casa di Goethe“ 1997 in exakt den Räumen der damaligen Künstler-WG eröffnet. Es gehört mittelbar zur Staatsministerin für Kultur und Medien und ist somit das einzige Museum der Bundesrepublik außerhalb des Staatsgebiets. Seit April 2022 ist Dr. Gregor H. Lersch Direktor dieses Museums.

Herz des Museums ist die Dauerausstellung, die sich mit Goethe in Italien einerseits und der Künstler-WG andererseits beschäftigt. Gregor H. Lersch fand sie bei seinem Amtsbeginn schon so vor, wie sie auch heute noch zu sehen ist: Im Grunde gibt sie interessant und lebendig einen Überblick, und doch entspricht sie didaktisch nicht dem neusten Stand. Behutsam sind in Zusammenarbeit mit Studierenden der „Weißensee Kunsthochschule Berlin“ des Studiengangs „Visuelle Kommunikation“ Interventionen entstanden, die, farblich abgehoben, mal zum Mitmachen auffordern und mal ganz neue, nur mittelbar mit Goethe verbundene Geschichten erzählen. So wird zum Beispiel das heikle Thema Goethe und die Frauen in der Via del Corso 18 angerissen oder es wird direkt am Startpunkt der Dauerausstellung die Geschichte von Guido Zabban erzählt. Der jüdische Familienvater überlebte in der Wohnung versteckt im Mezzanin die deutsche Besatzung 1943/44.

Die „Casa di Goethe Intervenzioni“ gibt es erst seit März. Es wird sich bis Ende des Jahres zeigen, was davon funktioniert und bleibt und was nicht. Das „Casa di Goethe“ jedenfalls funktioniert als ruhender Pol in einer hektischen Stadt. Außerhalb von Weimar wird es nur wenige Orte geben, wo man Goethe so nahe kommen kann.

Mathias Fritzsche ist Kunsthistoriker und lebt in Köln.

Casa di Goethe Intervenzioni. 25 Jahre Museum Casa di Goethe
bis zum 31.12.2023
Museum Casa di Goethe
Via del Corso 18
I-00186 Roma
(Piazza del Popolo)
Tel.: +39-6-32650412
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 5 €
www.casadigoethe.it

Text: Mathias Fritzsche
Bild: Museum Casa di Goethe
Erstveröffentlichung in kunst:art 92

Über Mathias Fritzsche 117 Artikel
Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?