Jahrtausendspanne an Wörtern und Zeichen

15.09.2023 - 14.08.2024 | Kolumba

Andy Warhol, Crosses, ca. 1981/82

Eine kluge Schau des Kölner Museums Kolumba

Auf einem Teller ist ein längliches Schriftstück angebracht mit einer Zahl (4) und vier Buchstaben (TUNE). Der in Englisch bewanderte Leser kombiniert blitzschell: Fo(u)rtune. Der Teller ist an der Wand befestigt, es kann also keine Nahrung darauf gelegt werden, so dass man im doppeltem Sinne „abgewiesen“ wird – es wird kein Essen, weder wird der Hunger befriedigt noch vermag sich ein Glücksgefühl einzustellen. Diese Arbeit von Terry Fox (Rebus #, 1989) proklamiert einen – für Milionen von Menschen unerreichbaren – Wunsch nach genügend Essen und das daraus resultierende Glücksgefühl.

Aus eigentlich drei sehr einfachen Elementen stellte vor mehr als dreißig Jahren der amerikanische Konzeptkünstler, der vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren an der Westküste, später dann in Europa (Paris, Neapel, anschließend Lüttich – er starb 2008 in Köln), wo er schließlich auch heimisch wurde, tätig war, sein Kunstwerk zusammen. Diese Arbeit dokumentiert ausdrücklich den Geist der hervorragenden Jahresausstellung im Kunstmuseum Kolumba in Köln, in der die Frage nach dem Verhältnis von Wort und Bild im Zentrum steht. Ein Wort kann nur dann von Dauer sein, wenn es schriftlich hinterlegt ist, während die Zeichnung erst dann zum Zeichen werden kann, wenn es in einem Zusammenhang von festgelegten kulturellen, religiösen oder anderen Vereinbarungen verankert ist, die meist örtlich und zeitlich begrenzt sind: also etwa in den Wappen der herrschenden Monarchen oder religiösen Gemeinschaften, die aber auch den jeweiligen Zeitgeist widerspiegeln.

Mit schön inszenierten Werken aus dem 4. bis 21. Jahrhundert wird hier eine große Fülle an Querverbindungen aufgezeigt, die darauf hinweisen, wie kompliziert unsere Welt geworden ist, in der Missbrauch, Machtanspruch, Realitätsverfälschung sowohl in der Schrift wie auch im Bild eine sehr ernste und oft auch schwer zu enträtselnde Angelegenheit sind. Auch wenn die moderne Linguistik über genügend digitale Verifizierungsprogramme verfügt, haben Fake-Geschichten und -Bilder im Internet oft ein langes Leben.

Die Ausstellung steigt im Foyer niederschwellig ins Thema ein mit dem „Alphabet der Dinge“ aus der Formensammlung. Gezeigt werden Arbeiten von über dreißig Künstlern, darunter Louise Bourgeois, Felix Droese, Rebecca Horn, Richard Serra, Andy Warhol und Rune Mields, allesamt aus der eigenen Sammlung. Beteiligt sind auch Studierende der Hochschule Burg Giebichenstein. Dazu hat das Museum zahlreiche Exponate aus dem Depot geholt, die noch nie öffentlich gezeigt wurden. So wird ein romanischer Schmuckfußboden zu Zeichnungen von Jannis Kounnellis ins Verhältnis gesetzt, und ein religiöses Bild vom Ursulameister korrespondiert mit Felix Droeses Wandarbeit. Ob es die antike Apfelsinenpresse ist, ein mittelalterliches Tafelbild oder ein koptisches Textilstück, all diese Objekte werfen umfassende Fragen zum Verhältnis zwischen Schrift, Zeichen und Wort auf, die auf diese Art und Weise nur selten gestellt wurden.

Dr. Milan Chlumsky promovierte an der Pariser Sorbonne über Ästhetik und den tschechischen Poetismus.

Wort Schrift Zeichen. Das Alphabet der Kunst
bis zum 14.8.2024
Kolumba
Kolumbastr. 4
D-50667 Köln
Tel.: +49-221-9331930
Mo + Mi – So 12 – 17 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 5 €
www.kolumba.de

Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Kolumba
Erstveröffentlichung in kunst:art 94