Eine große Retrospektive zeigt Frans Hals als den Porträtisten des menschlichen Antlitzes des 17. Jahrhunderts

12.7. – 3.11.2024 | Gemäldegalerie Berlin

Frans Hals, Der lachende Kavalier, 1624

Alter Meister, aber locker

Er bringt den Spaß in die Alten Meister. Die charakteristischste Eigenschaft, an der Gemälde von Frans
Hals zu erkennen sind, ist die – zumeist – gute Laune der Menschen, die er malt. Damit überwindet der
Haarlemer Meister etwas, das viele heutige Betrachter an der vor dem 19. Jahrhundert geschaffenen
Malerei abschreckend finden. Das Gravitätische, oftmals Steife, Formelle ist nicht die Sache des Frans
Hals. Er scheint die Menschen direkt aus dem Leben abgebildet zu haben, bevor sie sich in die Posen
gesetzt haben, die im 16. Jahrhundert und in den zweihundert Jahren danach für Stand und Würde
garantieren sollten. Selten erscheinen uns daher die Menschen aus einer 400 Jahre zurückliegenden
Vergangenheit näher als bei einem Blick auf die Gemälde des Frans Hals. Eine Soloausstellung
garantiert daher schon fast einen großen Publikumserfolg. Und tatsächlich war der Andrang in den ersten Stationen der Schau groß, als sie in der National Gallery in London und anschließend im Rijksmuseum in Amsterdam zu sehen war. Wie die Berliner Gemäldegalerie haben auch diese großen Häuser Meisterwerke von Frans Hals in ihren Sammlungen.

Dabei war sein besonderer Stil nicht zu allen Zeiten gleich geschätzt, wurde zuweilen direkt abgelehnt.
Zu rau und ungestüm erschien manchem an die Feinmalerei gewöhnten Betrachter vergangener
Epochen seine dynamische Pinselführung. Eine Eigenschaft, die erst im ausgehenden 19. Jahrhundert
als Methode anerkannt wurde, Gemälde mit Leben zu erfüllen und sie aus der Starre der Maltradition
vorangegangener Jahrhunderte zu lösen. Entstanden sind dabei Porträts von Menschen statt von ihren
gesellschaftlichen Positionen und Rollen. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass sie frei von
Standesbewusstsein sind. Manchmal scheint gar etwas Dünkel in ihren Blicken mitzuschwingen, denn
auch der ist eine zutiefst menschliche, wie gern gesagt wird, auch allzu menschliche Eigenheit. Aber
selbst davon erzählt Frans Hals mit Sympathie. Im Blick der kleinen Catharina Hooft auf dem Arm ihrer
Amme scheint ihr volles Bewusstsein zu liegen, gerade mit einer Angestellten auf dem Bild zu sein. Ihr
Blick haftet dabei offen und selbstbewusst auf dem Betrachter. Das Bild eines herrschaftlichen Paars
wie jenes vom Kaufmann und Diplomaten Isaac Abrahamsz Massa und seiner Frau Beatrix van der Laen
wirkt, als hätte man die beiden zufällig im Park getroffen, wo sie auch ganz gern allein geblieben wären.
Die Mienen scheinen unverstellt und aus dem Leben gegriffen. Dabei lässt das aufwändige Gemälde
allerdings keinen Zweifel am Wohlstand und der herausgehobenen Stellung des Paares.

Aber es müssen nicht die höchsten Stände sein, Frans Hals fand spannende Charaktere auch in
breiteren Milieus. So ist der fröhliche Trinker namenlos, aber eines seiner berühmtesten Werke. Ebenso
wie die „Malle Babbe“, die „verrückte Barbara“, deren bürgerlicher Name nicht zu ermitteln ist, von der
wir aber annehmen dürfen, dass sie eine konkrete Person war. Ihr Bildnis ist so intensiv, dass sie für
große Künstler späterer Generationen wie Gustave Courbet zum Motiv wurde. Die Malweise des Frans
Hals wurde zu ihrer Inspiration.

Christian Hofmann lebt und arbeitet als Kunsthistoriker in Berlin und Köln.

Frans Hals. Meister des Augenblicks
12.7. – 3.11.2024
Gemäldegalerie Berlin
Matthäikirchplatz
D-10785 Berlin
Tel.: +49-30-266424242
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 16 €, erm. 8 €
www.smb.museum

Text: Christian Hofmann
Bild: Gemäldegalerie Berlin
Erstveröffentlichung in kunst:art 98