Das Spielzimmer als Wunderkammer
Ganze Kisten voll der plüschigsten Teddybären, Fuhrparks, die vom Trecker bis zum Rennauto (fast) alles bieten, Brettspiele der vertracktesten Art: Der US-amerikanische Installationskünstler durfte so richtig im Spielzimmer wühlen. Das gehört in diesem Fall dem Stadtmuseum Berlin, dessen Spielzeugsammlung mit nicht weniger als etwa 70.000 Objekten eine der größten der Republik ist. Aus dem gigantischen Fundus montierte Dion seine Soloschau „Delirious Toys“ in der Bonner Bundeskunsthalle. “Montieren“ ist hier bewusst gesagt, weil der Künstler keinesfalls nur als Kurator auftritt – das wäre eine Spielzeugausstellung –, sondern eine Art von Metaobjekt schafft.
Das Spiel greift weit hinaus über die Grenzen der pädagogischen Provinz, ist vielmehr Grundmodus menschlicher Weltwahrnehmung – und Konstitution. Die Verwischung der Grenzen zwischen Realität und Fantasie fand sich in der frühen Neuzeit vor allem auch in der Institution der Wunderkammer, für den Künstler eine unversiegbare Inspirationsquelle. Ein begehbares, spielerisches Gesamtkunstwerk also in der Bundeskunsthalle (deren spielerische Türmchen hier fast als Vorahnung wirken …), ein fantastischer Kosmos, in dem Blechautomaten und Puppenhäuser, Gipshasen und Babypuppen und, ja, auch Plastikpanzer und Bleisoldaten einen irren Reigen aufführen. Im Spiel kann man frei assoziierend eine Welt entdecken (und ins durchaus Abgründige geraten): ein enthusiastischer, aber auch kritischer Blick auf eine zentrale Kulturtechnik.
Mark Dion. Delirious Toys
Die Spielzeug-Wunderkammer
8.9.2024 – 9.2.2025
Kunst- und Ausstellungshalle der BRD
Museumsmeile Bonn
Helmut-Kohl-Allee 4
D-53113 Bonn
Tel.: +49-228-9171200
Di – So 10 – 19 Uhr, Mi 10 – 21 Uhr
Eintritt: 13 €, erm. 6,50 €
www.bundeskunsthalle.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der BRD
Erstveröffentlichung in kunst:art 99