
Alchimia ist Poesie
Ab Mitte der 1960er-Jahre brodelte es an vielen europäischen Universitäten. Die Gründe sind vielfältig, sie kulminierten in den universitären Unruhen in Paris 1968. Auch wenn die Beweggründe verschiedener Gruppen und Professionen stark divergierten, eins schien sicher: Das Leben und die Existenzen jeden einzelnen müssen sich verändern, radikal, weg von einem unbegrenzten Konsum, weg von einer auf Selbstzerstörung ausgerichteten Produktion, weg von der Ausbeutung der Arbeitskraft in einer nur auf Gewinn ausgerichteten Industrie – und vieles mehr. Das Leben sollte global verändert werden. Dabei gehörte Italiens Architektur und Design einer der vordersten Plätze, mit Designern wie Sottsas, Mendini, de Lucchi, Bronzi, aber auch Künstlern wie Friedman, Jones, Paladino, Draxon und Shiro Kuramata.
„Bringe etwas mehr Poesie in die Architektur, mach das Design lieblicher, binde die kreativen Kräfte zusammen!“ lautete die Parole. Kein Wunder, dass in einer solchen Atmosphäre die beiden Designer Diana und Alessandro Guerriero in Mailand 1976 das Designerkollektiv Alchimia gründen: Sie wollen kein funktionelles Design mehr, serielle Anfertigung lehnen sie ab. Es sollte endlich ein neues Design entstehen, voller Poesie, mit Ornamenten, Symbolen und starken Bildern: Zeichenhaftigkeit und Poesie statt Funktionalismus und Utilitarismus. Kunst, Mode, Architektur, Film und Fotografie gehören dazu. Die Alchimia wurde für die folgenden Jahre ein aufregendes Experiment. Die Ausstellung im Bröhan Museum zeigt dies überzeugend.
Alchimia. Die Revolution des italienischen Designs
17.4. – 7.9.2025
Bröhan Museum
Schloßstr. 1a
D-14059 Berlin
Tel.: +49-30-32690600
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 6 €
www.broehan-museum.de
Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Bröhan Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 103