Sparen in der Not

Ein Kommentar von Mathias Fritzsche

Zuerst einmal vorneweg: Ich bin befangen! Wenn in der Kultur Geld gespart wird, dann können auch die Museen nur an bestimmten Stellen sparen: Am leichtesten spart es sich an der Werbung, also daran, wovon wir mit der „Zeitung kunst:art“ leben. Es gibt auch weitere Bereiche, an denen sich sparen lässt, einige andere sind aber auch von Sparmaßnahmen komplett ausgenommen. Am Gebäude und der Pflege der Kunst kann man natürlich nichts kürzen. Beim Personal ist das sehr kompliziert und nur punktuell möglich. Man kann Stellen, die freigeworden sind, möglicherweise für eine Zeit unbesetzt lassen. Oder außerordentliche Stellen einsparen. Doch meist wird hier schon seit Langem eingespart, was nur möglich ist. Die chronische Unterbesetzung in Museen ist leider inzwischen ein eingeübtes Ritual.

Womit sich aber auch Geld einsparen lässt, das sind Ausstellungen. Zum einen lässt sich durch längere Laufzeiten und seltenere Ausstellungswechsel Geld einsparen, zum anderen aber auch durch geringere Transportkosten, indem man auf das Ausleihen von Kunstwerken aus anderen Museen oder Sammlungen verzichtet. Sogar Ausstellungen, die komplett aus dem eigenen Sammlungsbestand kuratiert werden, sind möglich und werden, besonders als kleinere Kabinettausstellungen, gerne auch heute schon angeboten. Mit anderen Worten: Einsparpotenzial bei Museen ist durchaus vorhanden, aber das bleibt nicht folgenlos!

Wechselnde Ausstellungen, ausgeliehene attraktive Kunstwerke und kuratierte Ausstellungen mit Spitzenkunst: Das sind Bausteine, die Museen besonders attraktiv für Besucher und für Touristen machen. Das ist das, was zum Beispiel dazu beiträgt, dass „Berlin arm, aber sexy ist“. Kostet das Geld? Selbstverständlich! Aber muss man für Tourismus nicht auch etwas bieten? Und das gilt nicht nur für bildende Kunst, sondern auch für Schauspiel, Oper und Orchester. Gerade für Berlin ist Kultur unersetzlich.

Doch Berlin ist leider kein Einzelfall, sondern nur der bekannteste unter inzwischen vielen. Landauf, landab wird an der Kultur gespart. In einigen Gemeinden wurde der Kulturetat seit Jahren nicht erhöht, was de facto einer Reduzierung bei steigenden Kosten gleichkommt. Andere Gemeinden kürzen sogar bereits. Überall ist die Kultur in Gefahr. Eine Verengung dieser Diskussion auf Berlin schadet der Kultur, da Berlin aus vielerlei Gründen eine Sonderrolle spielt.
Berlin wird gerne (zu Unrecht) verhöhnt. Man habe dort mehrere Opern, mehrere große Theater, von den vielen Museen ganz zu schweigen. Gerne wird auch über den Etat für Berliner Kultur gehöhnt: Mehr als eine Milliarde nur für die Berliner Kultur! Und dann wird gerne noch aufgerechnet, dass ja sogar für einen großen Teil der Berliner Kultur der Bundeshaushalt aufkommt, was woanders selten der Fall ist (auch wenn es da durchaus Beispiele gäbe wie zum Beispiel die Bundeskunsthalle und das Haus der Geschichte in Bonn und das Bach-Archiv in Leipzig oder die Klassik Stiftung Weimar). Dass Berlin aber auch die Visitenkarte des Staates für unsere Gesellschaft ist, die sich ihrer Dichter und Denker rühmt, kann da schnell vergessen werden. Vom Faktor Tourismus, der bereits zur Sprache kam, ganz zu schweigen.

Kultur ist eine der eher rar gesäten freiwilligen Aufgaben des Staates. Damit kann bei Kultur grundsätzlich gespart werden, an vielen anderen Stellen ist das nicht so ohne Weiteres möglich. Das ist ein ständiges Dilemma der Kulturszene, was viele schon lange reparieren möchten. Leider ist das bisher nicht gelungen. Dabei wird dann zusätzlich gerne eine Neiddebatte angestoßen und das Beispiel mit den staatlichen Kosten je verkaufter Opernkarte angebracht. Dabei wird zweierlei unterschlagen: Nur mit dieser Subventionierung können auch Menschen mit geringem Einkommen in die Oper gehen. Es dient also der Demokratisierung der Kultur. Und zudem geht auch viel Geld in die freie Kulturszene. Eine ausreichende Finanzierung der Kultur ist unerlässlich für uns alle! Nicht nur, aber eben auch in Berlin!

Text: Mathias Fritzsche
Erstveröffentlichung in kunst:art 101