
Vergessene Traumata
Ihre Bilder sehen aus, als ob es feucht gewordene Fotografien wären, deren Farbe verlaufen ist. Man erkennt schemenhaft meist weibliche Figuren, doch es liegt ein Schleier über ihnen. Vielleicht verblasste Erinnerungen, weit entfernte Bilder, von denen Bruchstücke ihren Weg zurückfinden.
Bracha Lichtenberg Ettinger, 1948 in Tel Aviv geboren, hat keinen direkten Weg zur Kunst genommen. In den 1970er-Jahren studiert sie Klinische Psychologie in Jerusalem, lehrt und arbeitet von 1976 bis 1979 als Psychologin in London und ab 1979 arbeitet sie wieder in Israel am Shalvata Hospital. Erst dann, Anfang der 1980er-Jahre, trifft sie die Entscheidung für die Kunst, aber nicht gegen die Psychologie, und lebt von 1981 bis 2003 in Paris. Dort macht sie weitere Abschlüsse in Psychologie und einen ersten in Ästhetik. Dieser Verbindung bleibt sie in der Lehre treu.
Die Medien, die sie für ihre Werke verwendet, sind vielfältig. Zeichnung und Tuschemalerei, aber auch Asche in Pigmenten, Fotokopien und vieles mehr. Inhaltlich gleitet eine ihrer Professionen in die andere hinüber. Traumata, deren Herkunft und deren Heilung, sind gleichfalls psychologische Diagnose und künstlerisches Thema von Bracha Lichtenberg Ettinger. Bereits in den 1980er-Jahren behandelte sie diese Thematik in ihrem Frühwerk, als vielen anderen vererbte Traumata noch kein Begriff sind. Nicht umsonst gilt sie mit dieser Thematik als Pionierin.
Schon in ihrer Zeit in Paris erregte Bracha Lichtenberg Ettinger Aufmerksamkeit mit ihren Bildern: International wurden ihre Bilder für Sammlungen und Museen gekauft, Einzelausstellungen zum Beispiel im Centre Georges Pompidou (1987) und viele Gruppenausstellungen folgen.
In Deutschland erfährt Bracha Lichtenberg Ettinger erst spät Bekanntheit, als sie aus der sechsköpfigen Findungskommission zur künstlerischen Leitung der documenta 16 zurücktritt. Sie tat das, da die Kommission nur Tage nach dem Terroranschlag in Israel, der etwa 1.200 Tote zur Folge hatte, tagte und ihrer Bitte um Verlangsamung des Findungsprozesses nicht nachkam. Gerade bei einer Trauma-Forscherin ist diese Anregung nur zu verständlich. Sie selbst, die eine Tochter von Holocaust-Überlebenden ist, brachte es über vierzig Jahre lang nicht über sich, in Deutschland auszustellen.
Die Kunstsammlung NRW zeigt nun Werke aus ihrem Frühwerk, Künstlerinnenbücher und neueste Werke und ermöglicht so einen Überblick über ihr Œuvre.
Bracha Lichtenberg Ettinger
22.2. – 31.8.2025
Kunstsammlung NRW
K21
Ständehausstr. 1
D-40217 Düsseldorf
Tel.: +49-211-8381204
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 14 €, erm. 12 €
www.kunstsammlung.de