
Habitate zwischen Utopie und Dystopie
Die Alte Kelter in Fellbach, ein multifunktionaler Veranstaltungsort und weit davon entfernt, ein steriler white cube zu sein, hat seit 1980 im Rahmen der Triennale Kleinplastik die unterschiedlichsten Spielarten zeitgenössischer Kunst beherbergt. Die Idee, unter dem verbindenden Überbegriff der Kleinplastik stets wechselnde, angesehene Kurator*innen mit weitestgehender Freiheit hinsichtlich Konzept und Künstlerauswahl zu verpflichten, gewährleistet die Einzigartigkeit jeder einzelnen Triennale.
Mit der diesjährigen Kuratorin Claudia Emmert, Direktorin und Geschäftsführerin des Zeppelin-Museums für Technik und Kunst in Friedrichhafen, und der Co-Kuratorin Ina Neddermeyer, Direktorin des Museum Giersch der Goethe-Universität Frankfurt am Main, wird die Erfolgsgeschichte der Triennale weitergeschrieben. Die 16. Triennale Kleinplastik Fellbach widmet sich unter dem Titel „Habitate. Über_Lebensräume“ der Frage, wie wir angesichts globaler Herausforderungen in Zukunft zusammenleben können. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die fragile Beziehung von Mensch und Natur, der sich die 45 internationalen Kunstschaffenden in der Alten Kelter nun auf 3.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche aus ganz unterschiedlichen Perspektiven nähern. „Hier kulminieren alle prägenden Themen unserer Zeit: Klimawandel, Pandemien, Kriege und Migration sowie die Verschränkung analoger und digitaler Lebenswelten“, erklärt Claudia Emmert. Das überaus breite Spektrum der verhandelten Habitate reicht dabei von den Gipfeln der höchsten Berge bis in die Tiefen der Ozeane, von der Antarktis über Afrika, Asien und Südamerika bis nach Europa und Amerika. „Die Werke zeigen, wie sich die Lebensräume von Menschen, Tieren und Pflanzen radikal verändern und auch zukünftig im Umbruch sein werden“, so Ina Neddermeyer.
Die Skulpturen, Objekte und Installationen bieten dabei Einblicke in kultivierte, verlorene, toxische, postkoloniale, hybride und zukünftige Habitate, die mal analytisch, mal politisch-aktivistisch und zuweilen humorvoll-ironisch künstlerisch pointiert seziert werden. Exemplarisch für diese künstlerischen Sichtweisen ist das Forschungsprojekt „Bestiarium des Anthropozäns“ des Künstlerkollektivs disnovation.org. Mit 24 Objekten zeigt es, wie sich Tiere und Pflanzen dem menschlichen Eingriff in die Natur angepasst haben. Zu sehen sind von der Massentierhaltung verformte Hühnerknochen oder „Plastiglomerate“, neue Gesteinsformen, in denen sich Plastikmüll mit natürlichen Materialien verbunden hat. Eine künstlerische Mutation sind zudem die „Fordite“, die als neue Edelsteine in der Autolackiererei von Ford entstanden sind. Habitate von Lebewesen innerhalb eines Biotops sind endlich, verletzlich und nicht wiederherstellbar. Daher stellt die Triennale die berechtigte Frage: Wie wollen wir mit der Erde und ihren begrenzten Habitaten umgehen? Das sinnlich-ästhetische Habitat der Alten Kelter wird nun von realen, hybriden und fiktiven Wesen belebt und wirft einen spannenden Blick auf mögliche Zukunftsszenarien.
Stefan Simon lebt und arbeitet in Süddeutschland.
16. Triennale Kleinplastik. Habitate. Über_Lebensräume
24.5. – 28.9.2025
Alte Kelter Fellbach
Untertürkheimer Str. 33
D-70734 Fellbach
Tel.: +49-711-5851364
Di – Fr 14 – 19 Uhr, Do 14 – 21 Uhr, Sa + So 11 – 19 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 6 €
www.fellbach.de/triennale