Goslarer Kaiserring für Adrian Piper

9.10.2021 – Januar 2022 | Mönchehaus Museum

Der Goslarer Kaiserring, manchmal auch etwas salopp als „Nobelpreis der bildenden Kunst“ geführt, ist eine Auszeichnung, die ganz fraglos zu den renommiertesten Kunstpreisen der Gegenwart gehört. Verliehen wird der Ring seit 1975 im Jahresturnus einem nach Ansicht der Jury hochrangig bedeutenden und nachhaltig Maßstäbe setzenden aktuellen Künstler. Entsprechend imposant die Liste der bisherigen Preisträger: Max Ernst und Henry Moore, David Lynch und Anselm Kiefer, Cindy Sherman und Jenny Holzer sind da nur eine kleine Auswahl … Und nun, 2021, Adrian Piper! Coronabedingt mit etwas Verspätung verkündet, statt durch den Goslarer Oberbürgermeister beim festlichen Neujahrsempfang nun in Form einer Veröffentlichung der Stadtverwaltung, ehrt die Auszeichnung eine Künstlerin, die als Konzeptkünstlerin der ersten Generation die Konzeptkunst maßgeblich mitprägte. Hinter ihren öffentlichen, zuweilen spektakuläre Auftritte einschließenden Performances steht immer ein klarer Kopf: Die promovierte Philosophin Adrian Piper arbeitet im Sinne der analytischen Philosophie. Diese Richtung, die man mit Ludwig Wittgenstein als bekanntestem Namen verbindet, befasst sich mit dem Zusammenhang von sprachlichen und gedanklichen Strukturen. Ein mehr als ergiebiges Arbeitsfeld, nimmt man auch noch die gesellschaftlichen Machtstrukturen zwischen den Geschlechtern und Ethnien hinzu …

Und genau das tut die 1948 in New York geborene Künstlerin und Philosophin seit ihren künstlerischen Anfängen im Umfeld der amerikanischen Minimal Art in den 1960er Jahren: „Konsequent wie frei in Zeichnung, Malerei, Skulptur, Film und Performances entblößt Adrian Piper die harschen Strukturen des Normativen und führt nonchalant dem Betrachtenden vor Augen, dass es immer auch auf uns selbst, unser Denken und Handeln ankommt“, so formuliert es die Jury in ihrer Begründung der Preisvergabe. Eine Vielzahl von Medien also, mit Fundstücken oder frei erfunden, auf Papier oder digital, gelehrt oder witzig – immer aber spürt man die Klugheit und Energie einer beeindruckenden, für eine menschlichere Welt engagierten Frau. Dazu gehört die Förderung des künstlerischen wie wissenschaftlichen Nachwuchses, den sich die von Piper gegründete APRA Foundation in Berlin auf die Fahne geschrieben hat. Und als ob es mit alledem nicht genug wäre, befasst sich Adrian Piper, auf höchstem Niveau, wie nicht anders zu erwarten, auch noch mit der Lehre und Praxis des Yoga …

Der ziemlich gewaltige Kaiserring ist übrigens ein (jeweils immer wieder neu gefertigtes) Werk des Worpsweder Goldschmieds Hadfried Rinke: ein goldgefasster Aquamarin mit einem von unten in den Stein gravierten Bildnis Heinrichs IV. Er soll der Künstlerin, die seit 2005 in Berlin lebt, verliehen werden in einer Doppelzeremonie. Denn jetzt soll auch der Preisträger des Vorjahres, Hans Haake, endlich seine Auszeichnung erhalten (auch das war wegen der Einschränkungen aufgrund der Pandemie 2020 unterblieben).

Dieter Begemann interessiert sich (auch) für die angewandte Gestaltung, Kunsthandwerk oder Design: kurz, für die Raffinessen der Dinge!

 

 

 

 

Adrian Piper. Kaiserringträgerin der Stadt Goslar 2021
9.10.2021 – Januar 2022
Mönchehaus Museum
Mönchestr. 1
D-38640 Goslar
Tel.: +49-5321-29570
Di – So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 5 €,
www.mönchehaus.de

Text: Dieter Begemann
Bild: Mönchehaus Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 81

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!