Begemanns Blog | Filmperlen: Wie klaut man eine Million? (1966) | Teil 4

Es bitzelt!

Noch einmal zu unserm Paar (dem künftigen, aber es beginnt schon zu knistern!) im offenen Jaguar vor dem Pariser Nobelhotel Ritz: Auf Nicoles Verwunderung, dass der vermeintliche Einbrecher (und wirkliche Versicherungsdetektiv) so nobel logiere, erklärt er nonchalant, jaja, er sei halt society burglar, sozusagen Räuber der oberen Zehntausend: noch so ein Beispiel für den Wortwitz von Wylers How to Steal a Million. Seine detailversessene Arbeit am Set hatte dem (ursprünglich übrigens aus dem Elsass stammenden, dort wurde er 1902 als Wilhelm Weiller geboren) Regisseur schon früh den Spitznamen 90-Take-Wyler eingebracht: So oft (gefühlt zumindest) musste offenbar manchmal von innerlich seufzenden Darstellern eine Szene wiederholt werden, bis der Meister endlich zufrieden war. Wenn er auch mit diesem Perfektionismus sicher so manchem Schauspieler erheblich auf den Wecker ging, so war doch andererseits zu bemerken, dass auffällig viele Darsteller durch seine Filme zu Oskar-Ehren gelangten: Es scheint genutzt zu haben!

Die coole Karre also für den männlichen Helden, haben wir gesehen – und was fährt Sie? Denn wie ihre Garderobe, auf die wir noch kommen werden, ist auch Audrey Hepburns Fortbewegungsmittel offenbar sorgfältig gecastet. Schon in einer der ersten Einstellungen sehen wir sie – schick behutet – durch den Pariser Straßenverkehr sausen mit einem logischerweise offenen, sonst sähe man den Hut nicht so schön – Autobianchi. Diese Marke dürfte heute nur noch ausgebufften Oldtimerfans ein Begriff sein, kann aber auf eine lange Ahnenreihe zurückblicken, bevor sie (nach dem Zweiten Weltkrieg) zum Fiat-Konzern kam. Dem diente sie in den späten 60ern als gewissermaßen überschaubares und risikoarmes Experimentierfeld für innovative Konzepte wie Frontantrieb und Karosserien mit schräger Heckklappe, bevor man diese in den Großserienmodellen des Mutterkonzerns einführte. Hepburns Bianchina (das Modell erschien 1958) ist aber eine Sonderkarosserie auf Fiat-Basis (mit luftgekühltem Heckmotor), ein Stadtgefährt für die stilbewußte Dame. Und kleiiin: Eine ausgewachsene Bianchina reicht einem durchschnittlichen SUV von heute ungefähr bis zur Radnabe, sie könnte wahrscheinlich problemlos im Handschuhfach eines Porsche Cayenne mitgeführt werden…

Es waren wirklich andere Zeiten damals: Dank relativ niedriger Löhne war es wirtschaftlich darstellbar, auch auf Unterbauten aus der profanen Massenfertigung flotte Sonderkarosserien zu setzen. Eine ganze Industrie lebte davon: Ihr Epizentrum war die piemontesische Metropole Turin. Flott, keck und meist ein spitzbübisches Lächeln – so konnte man dieses Auto wie auch seine Fahrerin beschreiben!

 

Text: Dieter Begemann
Externer Link: www.autobianchi.de
(Dort kann man einige der Autos betrachten. Leider sehen Sie auf Kunst-Mag.de keine Abbildungen des Wagens, da die Bildrechte schwer zu erlangen sind.)

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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