Von Menschen, Tieren und Hybriden. – Das Hamburger MKG beleuchtet das Zusammenleben der Spezies

3.11.2017 – 4.3.2018 | Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Gabriel von Max, Affen als Kunstrichter, um 1889. © Foto: Martin Hahn.

 

von Paula Wunderlich //

 

Gedanklicher Ausgangspunkt der Ausstellung ist die 2012 entstandene Video-Installation „Raptor’s Rapture“ des Künstlerpaars Allora & Calzadilla: Auf einer jahrtausendealten Flöte, die aus den Knochen eines Gänsegeiers geschnitzt wurde, spielt eine Musikerin. Ihr Zuhörer ist ein Gänsegeier. Auf eindringliche Weise wird mit dieser Arbeit bereits eine der Kernaussagen – nämlich jene der Koexistenz von Mensch und Tier, des Bedürfnisses, vom Tier zu lernen und es gleichzeitig gefügig zu machen – aufgeworfen.

Die heterogenen Ebenen des Verhältnisses von Mensch und Tier – zwischen Unterwerfung oder Instrumentalisierung und respektvollem, bisweilen harmonischem Umgang changierend – sind seit jeher viel diskutiert, die Meinungen jedoch ebenso wenig statisch wie das Zusammenleben von Mensch und Tier selbst. Innerhalb zentraler Blöcke, die von der Antike bis in die Gegenwartskunst reichen, ordnen sich die etwa 200 Leihgaben der aktuellen Ausstellung an. Neben dem weiten zeitlichen Entstehungszeitraum der gezeigten Werke erweitern die thematisch sortierten Arbeiten der Hoch- und Populärkultur sowie die Exponate indigener Kulturen und Objekte aus der Naturkunde die Perspektive auf besondere Weise. Dabei kommt die Kunstausstellung, für deren Existenz mitunter prominente Vertreter wie Paul Klee, Johann Heinrich Füssli, Max Ernst, Goya, Beuys oder Ai Weiwei dienlich sind, für ihr Gelingen gänzlich ohne einen enzyklopädischen Anspruch aus.

Mit der Erkundung des Tierreichs gingen auch differente Praktiken einher: Vom reinen Beobachten und Skizzieren über das Sezieren und Präparieren bis hin zu dokumentierenden Zeichnungen und Gemälden reicht die Spannweite. Exponate wie etwa Dürers Grafik „Rinocerus“ (1515) oder die acht Meter breite Papierarbeit von Joachim Lutz (1921), welche die Sehnsucht nach einem symbiotischen Einklang zwischen Mensch und Natur symbolisiert, belegen die wissenschaftliche und künstlerische Vielfalt ebenso wie Seiten aus Ernst Haeckels legendärem Buch „Kunstformen der Natur“ aus dem Jahr 1904, Franc Marcs „Liegender Hund im Schnee“ (1911) oder das Präparat eines Braunen Langohrs.

Bis dato scheint das Verlangen des Menschen, von der Tierwelt zu lernen und deren Mechanismen zu adaptieren oder zu imitieren, ungebrochen. Der Wunsch etwa zu fliegen oder unter Wasser zu atmen, der sich schon in Da Vincis Entwürfen eines Flugapparats und einer Taucherglocke manifestierte, jene Eigenschaften, die von tierischer Überlegenheit zeugen und die sich der Mensch zu Nutze machen wollte, all das manifestiert sich in von Menschenhand gemachten Erfindungen, deren Erfinder der Mensch eigentlich nie war. Mit der monumentalen Arbeit „Play Dead: Real Time“ (2003) von Douglas Gordon endet die Ausstellung, die den Besucher mit einem tiefschürfenden Gefühl entlässt: Sollte das Tier vom Menschen bezwungen werden oder sollte umgekehrt der Mensch nicht klugerweise vom Reichtum der tierischen Fähigkeiten lernen?

 

Tiere. Respekt / Harmonie / Unterwerfung
3.11.2017 – 4.3.2018, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz, D-20099 Hamburg
Tel.: +49-40-428134880
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 8 €
http://www.mkg-hamburg.de

 

Text aus der kunst:art 58

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