Bedeutsames in Bronze und Beton. – Das Potsdamer museum FLUXUS+ zeigt neue Werke von Wolf Vostell

bis zum 8.4.2018 | museum FLUXUS+

 

von Karolina Wrobel //

 

Der Satz ging in die Geschichtsbücher ein: “Mister Gorbatschow, tear down this wall!”. Der US-Präsident Ronald Reagan nutzte die Gelegenheit auf dem Höhepunkt der Feierlichkeiten anlässlich des 750. Jubiläums der Stadt Berlin, den Abriss der in Beton gegossenen Grenze zu fordern. Auch deshalb mag es nicht überraschen, dass Beton in einem anderen, künstlerischen Sinn Leidenschaften weckte. So bei dem Fluxus-Künstler Wolf Vostell und seinen Widersachern, den West-Berliner Bürgern. Vostell goss im selben Jahr zwei Cadillacs in Beton und setzte sie den Anwohnern der wohlhabenden Gegend rund um den Rathenauplatz in West-Berlin als “nackte Maja” vor die Nase. Und mehr noch: Er setzte sie prominent in die Mitte eines Kreisverkehrs, und ließ ihr von den erzürnten Bürgern unfreiwillig kondolieren, jedes Mal wenn die zur Stadtautobahn aufbrachen. Dabei war es der Berliner Senat, der 1987 anlässlich des Stadtjubiläums den Kurfürstendamm zu einer Kunstmeile gemacht hatte. Vostells Werk blieb, trotz erheblicher Bürgerproteste, bis in die Gegenwart. Heute haben sich die Wogen geglättet: Vor rund zehn Jahren wurde die Skulptur vom Verein Pro City West restauriert und illuminiert. Damit geht der “24-stündige Tanz der Autofahrer ums Goldene Kalb” weiter.

Die Kunst habe die Aufgabe, “die Menschen gegen Krieg und Intoleranz zu erziehen”. Das hatten sich neben Wolf Vostell, der in diesem Jahr 85 Jahre alt geworden wäre, auch andere Mitbegründer des Fluxus auf die Fahnen geschrieben. Vostell äußerte dabei ganz zeitgenössisch Kritik an der Bonner Republik und am Massenkonsum. Diese soziale Analyse ist in seinem eigenständigen künstlerischen Ausdruck erfahrbar, und mehr noch: Seine Kunst leistet eine Transferleistung, die sie bis heute aktuell bleiben lässt. Diese Prozesshaftigkeit ist im „museum FLUXUS+“ in Potsdam zu sehen: Zu den wegweisenden, hier dauerhaft ausgestellten Werken gehört Vostells Arbeit mit dem Titel “Transmigration” von 1958. Sie integrierte erstmals ein Fernsehgerät, neben dem Automobil eines der stärkste Sinnbilder unserer Zeit, in ein Gemälde. Dass Wolf Vostell jedes Thema und jeden Werkzyklus mittels ganz vieler Ausdrucksarten bearbeitet hatte, lässt sich nun durch neu in der Schau präsentierte Werke nachspüren. Es sind “Skizzen und Skulpturen” des Künstlers, die hier flankierend zur Dauerausstellung den Variantenreichtum der künstlerischen Handschrift aufzeigen.

Das sind elf bisher kaum der Öffentlichkeit zugängliche Bronzen: So zeigt die Bronze “Zwei Beton-Cadillacs in Form der nackten Maja” aus dem Jahr 1986 mehr als nur das Modell des Hauptwerks der Großskulptur vom Rathenauplatz. Denn immer wieder schuf Vostell Bronzeskulpturen, die nicht nur als Entwurf zu lesen sind, sondern auch eigene Ideen zum Ausdruck brachten. Mit dem Objektkasten “Luftpumpen-Museum” aus dem Jahr 1972 gibt es zudem erstmals eine Neuerwerbung des Museums zu sehen. In dieser “Objektfassung” realisierte Wolf Vostell seinen Beitrag um die Auseinandersetzung zum Neubau für die Kunstsammlung Ludwig in Köln.

 

Wolf Vostell. Skizzen und Skulpturen
bis zum 8.4.2018, museum FLUXUS+
Schiffbauergasse 4f, D-14467 Potsdam
Tel.: +49-331-6010890
Mi – So 13 – 18 Uhr
Eintritt: 7,50 €, erm. 3 – 6 €
www.fluxus-plus.de

 

Text aus der kunst:art 59

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