Artsplash | Leipziger Bücherfrühling und der Schnee

15. bis 18. März 2018 | Leipziger Buchmesse

Blick aus dem Gewandhaus auf den Augustusplatz und die Oper Leipzig. Foto von Nadja Naumann

 

Damit hatte keiner so recht gerechnet, dass der Winter noch einmal zurückkommt und da Frau Holle ordentlich ihre Betten schüttelte führte das zu einem Verkehrschaos bei der Deutschen Bahn. Wetter kann man sich bekanntlich nicht aussuchen und die Leipziger Messe war trotz des Schnees mit der Besucherzahl von 271.000 (2017: 285.000) Besuchern hoch zufrieden. Bücherliebhaber ließen sich ihr Vergnügen trotz des Wintereinbruchs nicht verderben – recht so!

Das Gewandhausorchester unter der Leitung von Andris Nelsons. Foto von Nadja Naumann

Zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse im Gewandhaus am Abend des 14. März 2018 sorgte die wunderbare Musik von Wolfgang Amadeus Mozart mit der Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550 für die Balance des Abends. Unter der Leitung von Andris Nelsons bot das Gewandhausorchester Leipzig eine hinreißende Darbietung.Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ging an die norwegische Journalistin und Autorin Asne Seierstad für ihren Roman „Einer von uns“, der die Geschehnisse vom 22. Juli 2011 auf der Insel Utoya aus der Sicht des Attentäters Anders Behring Breivik schildert. Keine leichte Lesekost mit Tiefgang. Für mich ist die Eröffnung der Leipziger Buchmesse immer etwas besonderes. Denn wann kann man schon so wunderbar durch das Gewandhaus flanieren und die Aussicht auf den Augustusplatz mitten im Herzens Leipzigs genießen.

Am Donnerstag, 15. März 2018, war mein erstes Highlight die Verleihung des Leipziger Lesekompass in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen und der Leipziger Buchmesse. 9.000 Kinder- und Jugendbücher erscheinen im Jahr in Deutschland und der Leipziger Lesekompass, der in den Kategorien zwei bis sechs Jahre, sechs bis zehn Jahre und zehn bis 14 Jahre verliehen wird, ist eine Leseempfehlung. Darüber entscheidet jedes Jahr eine unabhängige Fachjury aus Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen. Meine Favoriten der prämierten Bücher sind „Sport ist herrlich“ von Ole Könnecke (ab 4 Jahre), das selbst für Erwachsene höchst amüsant ist, „Tiere, die kein Schwein kennt“ von Martin Brown (ab 8 Jahre), das humorvoll echt schräge Tiere vorstellt und „Das Tagebuch der Anne Frank. Graphic Diary“ von Anne Frank, Ari Folman und David Polonsky. Das Buch, dass das Schicksal des jüdischen Mädchens Anne Frank erzählt, wird hier als eine Graphic Novel präsentiert. Das hat mich tief beeindruckt. Zehn Bücher werden in jeder Kategorie ausgezeichnet und am liebsten möchte man alle haben.

Preis der Leipziger Buchmesse 2018. Foto von Nadja Naumann

Der Preis der Leipziger Buchmesse ist heiß begehrt und in drei Kategorien (Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung) werden jeweils fünf Bücher nominiert. Am Donnerstagnachmittag war es wieder so weit. Was mich sehr gefreut hat, dass endlich Karl Schlögel diesen Preis erhielt. „Ich bin sehr bewegt“sagte Schlögel in seinen Dankesworten. Dieser grandiose Wissenschaftler mit dem großen Herzen für die osteuropäische Kultur setzt sich in seinem Buch „Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt“ mit der ehemaligen UdSSR auseinander und bewahrt jene Epoche vor dem Vergessen. Mir ist aus jener Zeit das wunderbare Brot in Erinnerung geblieben, die Weite der Ukraine, das eiskalte Moskau, das westlich geprägte Jerewan, die Weinfelder Georgiens samt überwältigender Gastfreundschaft und natürlich die Pferde. Ich durfte in den Sattel von Masha steigen, der Stute eines Pferdehirten und das ohne Gebiss im Maul. Dafür sollte man reiten können.

Karl Schlögel erhält den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch aus den Händen von Skadi Jennicke, der Bürgermeisterin der Stadt Leipzig. Foto von Nadja Naumann

Georgien ist in diesem Jahr Gastland auf der Frankfurter Buchmesse und wird groß auftafeln. Nicht nur literarisch. Die Küche ist hervorragend – davon konnte ich mich auf dem Empfang auf der 68. Berlinale der Filmförderung von Mecklenburg-Vorpommern selber überzeugen – und mit hervorragenden Weinen. Es ist übrigens eines der Länder mit der längsten Weintradition.

Den Preis für die beste Übersetzung ging an Sabine Stöhr und Juri Durkot für „Internat“ von Serhij Zahdan, der darin von einem jungen Lehrer erzählt, der seinen 13jährigen Neffen aus dem Internat am anderen Ende der Stadt nach Hause abholt und das in der vom Bürgerkrieg geprägten Ukraine 2015. Esther Kinsky erhielt den Preis in der Kategorie Belletristik für „Hain. Geländeroman“, in dem sie vom Verlust erzählt und das auf einer Reise durch Italien mit Orten, die in keinem Reiseführer vorkommen.

Arno Geiger im Gespräch mit Wolfgang Tischer. Foto von Nadja Naumann

Ein Autor geht derzeit in Deutschland durch die Decke: Der österreichische Autor Arno Geiger und sein gefühlvoller Roman „Unter der Drachenwand“. Zehn Jahre hat seine Recherche für das Buch gedauert, das 1944 am Mondsee in Österreich spielt. Und was echt toll war, nach der Lesung am Freitag, 16. März 2018, bat der Moderator Wolfgang Tischer um Verständnis, dass das Gespräch nur 20 Minuten betrug. Arno Geigers Zeitplan war eng bemessen und die Besucher sollten die Gelegenheit haben, sich von ihrem Lieblingsautor das Buch signieren zu lassen.

1968 – so empfinde ich es – ist wohl eher ein Thema im Westen Deutschlands. Auf der 68. Berlinale widmete sich die Sektion Berlinale Shorts der Thematik und nach Leipzig kam Gretchen Dutschke, um ihr Buch „1968. Worauf wir stolz sein dürfen“ vorzustellen. Und die gebürtige Amerikanerin ist für mich eine Ikone jener Zeit.

Mein Fazit: Die Diskussion um das e-book ist zeitgemäß, das gedruckte Buch ist und bleibt unersetzbar. Die Leipziger Buchmesse ist schneegemäß zeitgemäß und ich freue mich schon jetzt auf 2019!

 

 

 

Text und Fotos: Nadja Naumann

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