Nicht nur Bildhauer!

22.4. – 8.7.2018 | Grafikmuseum Stiftung Schreiner

Alfred Hrdlicka, Studienblatt (Zyklus „Wiedertäufer“), 1985 (Ausschnitt)

von Greta Sonnenschein //

Sie sind rar, die Ausstellungen zu Alfred Hrdlicka. Dies zum Anlass nehmend, bemühte sich die Stifterin und Sammlerin Stefanie Barbara Schreiner um grafische Werke des extrovertierten Künstlers aus einer Sammlung im Großraum Hamburg. Dabei gelingt es ihr nunmehr, 120 sehr unterschiedliche Grafiken des österreichischen Bildhauers, Zeichners, Grafikers und Malers Alfred Hrdlicka (1928–2009) im Grafikmuseum Sammlung Schreiner in Bad Steben zu präsentieren. Ungeachtet der Tatsache, dass es keinen kompletten Satz zu einem Themengebiet gibt, ermöglicht das einen breitgefächerten Einblick in das Schaffen Hrdlickas. Gerade weil die Sammlung auch eine Vielzahl loser Blätter beinhaltet, ist es möglich, Brücken zwischen größeren  Themengebieten wie Literatur und Gewalt zu schlagen.

Der österreichische Künstler war zwar primär als Bildhauer tätig. Seine erst zu einem späteren Zeitpunkt entstandenen Grafiken, auch resultierend aus gesundheitlichen körperlichen Einschränkungen, sind nicht minder beeindruckend. Dabei riefen seine Plastiken meist lautstarke Kontroversen hervor, vor allem jene zu politischen Themen (und das war häufig, weil es viele davon gab). Besonders prägnant ist hierfür das Mahnmal gegen „Krieg und Faschismus“ mit der Widmung „für alle Opfer des Krieges“, das sehr prominent platziert ist, zwischen der Wiener Albertina und der Rückseite der Wiener Staatsoper. Auffällig ist, dass bei seinen Skulpturen die anatomische Erfassung zwar nicht vorrangig erscheint, sie dabei aber nicht minder eine stets realistische und figurative Darstellung bieten. Allerdings intensivierte er die detail- und figürliche Ausdrucksweise in seinen Zeichnungen und grafischen Werken weitaus mehr. Seine Grafiken sind primär Kaltnadel- und Ätzradierungen. Auffällig ist, dass Hrdlicka wenige Lithografien fertigte. Für die Kuratorin Stefanie Schreiner deutet dies auf ein Vorbehalten Hrdlickas gegenüber dem Material Stein als Objekt für seine Plastiken hin.

Besonders durch den Zweiten Weltkrieg – bei dem Hrdlicka mit Hilfe eines befreundeten Zahntechnikers sich dem Kriegsdienst entzog –, die Zwangsarbeit seiner Vaters und vieles mehr geprägt, war der Künstler früh politisch aktiv. So blieb es in den Nachkriegsjahren und bis zu seinem Tod für ihn nicht aus, die Themen Krieg – Gewalt – Faschismus künstlerisch zu gestalten. Für Hrdlicka war Kunst nie Selbstzweck, sondern immer dazu da, Stellung zu beziehen.

Weiters hatte er durch persönliche Erlebnisse einen besonderen Zugang zu psychisch erkrankten Menschen, den er auch in seinen Werken erkennen ließ. In seinen gesellschaftspolitischen Themengebieten unterstützten Hrdlicka literarische Werke von Elias Canettis wie „Masse und Macht“ („Masse und Macht“, Skizzen zu “Humaniae Vitae”, 1968), Hamlet (Hamletszene aus dem Jahr 1970) oder Gedichte von Friedrich Hölderlin, die der Künstler grafisch verarbeitete. Obwohl Hrdlicka Atheist war, nahm er sich auch biblischer Themen an („Johannes der Täufer vor der Enthauptung“, 1962). Seine Kunst war für Hrdlicka stets eine Ausdrucksmöglichkeit, die Missstände der den Menschen erniedrigenden Zustände darzulegen. In den fünf verschiedenen Räumen des ehemaligen Kurhauses wird deutlich, dass die jeweiligen Themenkreise nicht separat von einander behandelt werden können. Diese zu kombinieren und im Zuge der Doppelnutzung des Jugendstilgebäudes als Veranstaltungsort auch Teil des alltäglichen Lebens der Besucherinnen und Besucher werden zu lassen, gelingt in Bad Steben offensichtlich.

Alfred Hrdlicka. Frühe Grafiken
22.4. – 8.7.2018
Grafikmuseum Stiftung Schreiner
Badstr. 30
D-95138 Bad Steben
Tel.: +49-9288-2053090
Täglich 9 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.grafikmuseum-schreiner.de

Erstveröffentlichung in kunst:art 61.