Entschleunigung

Verlängert bis: – 05.04.2021 | Kunstpalais Stadt Erlangen

Es ist die Kombination aus einer entrückten Pose, einer an Marmor erinnernden Stofflichkeit und einer Verlorenheit im Raum, die starke Assoziationen an digitale Erzeugnisse weckt. Malerei zwar, aber jene, die erst auf den zweiten Blick als solche erkennbar ist. Zuerst denkt man an Fotografie oder Computerdarstellungen. Zu perfekt ist das Schattenspiel, zu abrupt der Übergang vom Hintergrund zur Darstellung der Figur. Und doch ist es Malerei.

Vivian Greven wurde 1985 in Bonn geboren und lebt heute in Düsseldorf. Und genau dort, man ist geneigt zu sagen selbstverständlich dort, hat sie an der Kunstakademie studiert und schließlich 2015 als Meisterschülerin abgeschlossen. Sehr früh schon hat sie mit ihrer regen Ausstellungstätigkeit begonnen, und es war sicherlich auch eine Art von Ritterschlag und machte sie zugleich einem größeren Publikum (und auch dem Autor dieser Zeilen) bekannt, als sie 2015 von der renommierten Galerie Holtmann in Köln ausgestellt wurde.

Schon damals war ihr Malstil eindrucksvoll, seitdem hat er sich jedoch noch deutlich zu einer eigenständigen Position weiterentwickelt, die innerhalb der zeitgenössischen Malerei unverkennbar ist. So waren es auch ihre Werke, die bei der großen Schau „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ (Bonn, Wiesbaden, Chemnitz und Hamburg, 2019 und 2020) aufhorchen ließen und dem Kunstbetrieb zeigten, dass die Malerei nicht am Ende ist. Ganz im Gegenteil!

„Das hat unerträglich gekocht in mir“ (kunnst 11), sagte Vivian Greven bereits 2015 dazu, dass sie sich besonders mit dem nackten weiblichen Körper, mit Berührungen und besonders mit Gesichtern beschäftigt hat. Schon in ihrer Kindheit war sie fasziniert von Körpern und Gesichtern, da ist es eine logische Entwicklung zu ihrer heutigen Position. Ihre Arbeitsweise fasste sie damit zusammen, dass Dinge Zeit benötigen, um gut zu werden; unnötige Eile mache die Dinge kaputt. Eine Arbeitsweise, die man ihren Werken qualitativ, aber auch inhaltlich ansieht. Es sind langsame Gesten, fast ein Verharren. So stellt sich nicht der Eindruck dar, man sehe ein Bild aus einem langen Film, es wirkt eher so, als ob man in einem Werk die Essenz einer sanften Bewegung, eines Innehaltens konzentriert zu sehen bekommt. Es ist die gemalte Kontemplation!

Inzwischen sieht man die Bilder von Vivian Greven auf der Art Basel, der Art Cologne und der Frieze in London, Ausstellungen in Bremen, Hamburg und Köln wechseln sich ab. Möglicherweise ist Erlangen der Ort, der zum Verharren vor den Werken Vivian Grevens einlädt, denn manchmal vergisst man, dass es nicht ausreicht, dass einem Kontemplation gezeigt wird, man muss ihr selbst auch Raum geben!

 

 

Vivian Greven. Apple
21.11.2020 – 05.4.2021
Kunstpalais Stadt Erlangen
Marktplatz 1
D-91054 Erlangen
Tel.: +49-9131-862735
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 4 €, erm. 2 €
www.kunstpalais.de

Text: Mathias Fritzsche
Bild: Kunstpalais Stadt Erlangen
Erstveröffentlichung in kunst:art 76

Über Mathias Fritzsche 125 Artikel
Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?