Körperbilder, so oder so
Die Zusammenstellung scheint recht gewagt: Da haben wir einmal die Gemälde der Bremerin Paula
Modersohn-Becker von vor inzwischen auch schon rund 120 Jahren und zum anderen die der in
Düsseldorf lebenden Vivian Greven (* 1985), ganz und gar von heute. Aber da gibt es doch eine
auffällige Gemeinsamkeit, denn beide Künstlerinnen beschäftigen sich eindringlich mit dem Bilde des
menschlichen, vor allem des weiblichen Körpers in Akt und Halbakt. War allerdings das Schaffen der
Älteren ein Versuch, den Konventionen der akademischen Malerei ihrer Zeit, der antikenfreudigen
Epoche um die vorletzte Jahrhundertwende zu entgehen, so umarmt Vivian Greven geradezu
emphatisch die in Marmor gebannten Schönheitsideale von Renaissance und Klassizismus.
Aber wie sie das macht, das hat es in sich: Ihre Ölbilder haben eine derartige Perfektion und Glätte, die
blässlichen Farben tun ein Übriges, dass zwar alle Register der Sinnlichkeit gezogen werden, anderseits
aber geradezu frostiger Raureif sich auf die edlen Leiber zu legen scheint. Paula Modersohn-Becker
suchte damals auf dem Dorf in den dezidiert uneleganten Körpern ihrer bäuerlichen Modelle wie im
haptischen Pinselduktus die tiefere Wahrheit. Vivian Greven dagegen weiß nur zu gut, dass im digitalen
Zeitalter – und dort, im Netz, sind ja ihre perfekten Vor-bilder allgegenwärtig – die Glätte der Bildschirme
undurchdringlich ist, jedes Begehren abprallen muss am Glas der Benutzeroberflächen.
Vivian Greven | Paula Modersohn-Becker
22.6. – 15.9.2024
Paula Modersohn-Becker Museum
Böttcherstr. 6
D-28195 Bremen
Tel.: +49-421-3388222
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 6 €
www.museen-boettcherstrasse.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Paula Modersohn-Becker Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 98