Ist jetzt alles anders?

Ein Kommentar von Mathias Fritzsche

Dieser Kommentar hat nur am Rande etwas mit Kunst zu tun. Doch das Thema ist zu wichtig, als dass man es unerwähnt lassen könnte. In Solingen gab es ein schlimmes Verbrechen, eine Terrortat, die nicht nur entsetzlich war, sondern auch verschiedene mehr oder weniger naheliegende Themen wieder aufbrachte.

Messerverbot?

Da es sich um ein Messerattentat handelte, steht wieder ein Messerverbot auf der Tagesordnung. Das Tragen von Messern ist auch jetzt schon eingeschränkt. Wichtig ist die Unterscheidung, ab wann ein Messer eine Waffe ist, denn Waffen mit sich zu führen ist in der Regel nicht erlaubt.

Alles über 12 Zentimeter Länge und was als Stichwaffe verwendet werden kann, ist jetzt schon per se verboten. Unter dieses Verbot fallen zum Beispiel Klapp- und Springmesser oder selbstverständlich auch Klingen, die man zweihändig verwendet. Nun geht es also um weitere Einschränkungen, so soll die Länge der zugelassenen Klinge auf sechs Zentimeter verkürzt werden. Außerdem, so sehen es manche Vorschläge vor, soll die Polizei anlassfrei prüfen dürfen.

Am Messerverbot ist wenig auszusetzen, außer dass es schwierig sein wird, das Gesetz durchzusetzen. Und anlassfreie Kontrollen könnten leicht einen vorverurteilenden Charakter haben.

Angst vor Ausländern?

Der mutmaßliche Täter von Solingen war, soweit bekannt wurde, ein syrischer Flüchtling, der durch Bulgarien und schließlich nach Deutschland kam. Damit reiht sich der Täter in eine Reihe von Tätern abscheulicher Verbrechen in Deutschland, aber auch in benachbarten Ländern, ein, die einen grob ähnlichen Hintergrund haben. Für viele ist das Grund genug, die Grenzen dicht machen zu wollen und sich am Asylrecht zu vergehen.

So gehen die Forderungen dahin, dass man die Grenzen, auch zu unseren europäischen Nachbarn, dicht macht und sehr genau prüft, wer nach Deutschland kommen darf und wer nicht. Europäisch gehen die Pläne immer weiter dahin, dass man niemanden mehr direkt nach Europa hereinlässt und auf exterritorialem Gebiet prüft, wer Asyl erhält und wer nicht. Dafür, dass man Flüchtlingslager und Asylprüfung auf dem Gebiet dritter Länder unterhält, zahlt man mitunter zweifelhaften Staaten viel Geld.

Was erreicht man damit?

Es stellt sich zuerst die Frage, ob das überhaupt realistisch ist. Kann das so funktionieren? Und um welchen Preis? Denn ob es einem gefällt oder nicht: Wir brauchen in Deutschland ganz dringend und wirklich viel Zuwanderung! Und zwar schon lange nicht nur in Bereichen, in denen man eine lange akademische Ausbildung braucht, sondern auch in vielen anderen wie der Gastronomie oder der Pflege. Manche sprechen von einem jährlichen Bedarf von bis zu 400.000 Menschen, die jährlich zuwandern müssten, damit wir alle Stellen besetzt bekommen.

Auch in der Kunst profitieren wir sehr davon, wenn ausländische Künstler gerne nach Deutschland kommen und einige Jahre oder sogar dauerhaft hier arbeiten und leben. Das macht die Kultur in Deutschland bunter und lebendiger. Der Austausch hilft allen und wir profitieren davon.

Wer möchte dann noch nach Deutschland?

Wenn wir uns aber abschotten, dann werden wir weder in der Kunst noch in der Gastronomie, Pflege und erst recht nicht bei Ärzten und Informatikern aus dem Ausland Menschen finden, die hier arbeiten möchten. Deutschland wird unattraktiv!

Wäre also nicht der richtige Weg statt der Abschottung ein professioneller Umgang mit Zuwanderung? Hilfe bei schneller Integration von der Wohnung bis zum Arbeitsplatz statt überfüllter Flüchtlingsunterkünfte? Und wer das für veralteten, blinden und linken Idealismus hält, der sollte mal bei den Arbeitgeberverbänden nachfragen, die allesamt nicht im Verdacht stehen, links zu sein!

Islamistische Hassverbrechen werden wir damit zwar nicht verhindern, aber ich habe große Zweifel, dass uns das mit Abschottung besser gelingt.

Text: Mathias Fritzsche
Erstveröffentlichung in kunst:art 99

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Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?