Die Narration von Zufällen

30.4. – 9.9.2022 | C/O Berlin Foundation

Höchste Zeit, dass die bereits seit 2016 als Vollmitglied der legendären Fotoagentur Magnum Photos aufgenommene Belgiererin Biege Depoorter auch in Berlin eine Einzelausstellung erhält. In den Hallen von Winterthur, dem FOMU in Antwerpen, der Kunsthalle Rotterdam und dem Fotomuseum Den Haag wurden unlängst Repräsentationen ihrer sehr eindringlichen Werke realisiert.

„A Chance Encounter“ handelt von zwei Zufallsbegegnungen, die Depoorters Weg bis heute maßgeblich mitprägen: von Michael, einem zunächst Fremden, den sie einst in Portland traf, der ihr jedoch drei Koffer voller persönlicher Habseligkeiten überließ, die tiefe Einblicke in sein Dasein und ein Kennenlernen aus der Ferne gewährten. Bis heute begibt sich die Fotografin immer wieder auf die Suche nach ihm. Und dann gibt es noch die immer wiederkehrende Protagonistin in Depoorters Bildwelten Agata Kay, die Tänzerin eines Pariser Nachtclubs mit ihrem unverkennbaren Kreuz-Tattoo auf der Mitte der Brust, zu der Depoorter eine komplexe Freundschaft hegt, welche sie seit 2017 dokumentiert.

Intensive Einblicke in das Leben der beiden gewähren die fotografischen Dokumente, die sich jedoch nicht dem Fotojournalismus im herkömmlichen Sinne zuordnen lassen: ungeschönt, aber inszeniert – so kommt man nicht umhin, an die fotografische Tradition einer Nan Goldin zu denken. Auch Depoorter entwickelt durch das changierende Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Dokumentation einen ganz eigenen, sehr eindringlichen Personalstil, der von einem besonderen Verhältnis zwischen Fotografin und Subjekt zeugt. Zugleich tangieren die Biografien ihrer Protagonist*innen Themen wie Inklusion und Ausgrenzung, Stigma und Tabu und porträtieren eindringlich Personen, die oftmals schlicht übersehen werden.

 

 

 

 

Bieke Depoorter. A Chance Encounter
30.4. – 9.9.2022
C/O Berlin Foundation
Hardenbergstraße 22–24
10623 Berlin
Telefon +49 30 2844416 62
Täglich 11 – 20 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 6 €
www.co-berlin.org

Text: Dr. Denise Susnja
Bild: C/O Berlin Foundation
Erstveröffentlichung in kunst:art 85