Ein unverhofftes Geschenk ist gewöhnlich Anlass zur Freude – anders war es, als am 6. Mai 2014 der bis dahin zurückgezogen lebende Cornelius Gurlitt verstarb: Testamentarisch hatte er die Stiftung Kunstmuseum Bern als Alleinerbin eingesetzt. Das, was da vererbt werden sollte, hatte es in sich: eine aus etwa 1.600 Werken bestehende Sammlung von Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafik französischer Meister des 19. Jahrhunderts und qualitätsvolle Papierarbeiten deutscher Künstler des frühen 20. Jahrhunderts. Hinzu kamen noch Arbeiten von Künstlern aus dem Gurlitt’schen Familienzusammenhang. So weit, so gut. Nur, dass alle diese Schätze zusammengetragen worden waren von Cornelius Gurlitts Vater, Hildebrand Gurlitt, während der nationalsozialistischen Herrschaft. Die Rolle, die der Kunsthändler da gespielt hatte, war einigermaßen undurchsichtig – vor allem war die Frage ungeklärt, ob er sich beim Aufbau seiner Sammlung Kunstwerke aus jüdischem Vorbesitz unrechtmäßig angeeignet hatte.
Nach einigem Überlegen nahm man in Bern das Legat an. Die Ausstellung „Gurlitt. Eine Bilanz“ versucht, allen kunsthistorischen wie auch besitzrechtlichen Fragen Genüge zu tun. Im Zentrum steht dabei die seit 2014, besonders aber seit dem tatsächlichen Gelangen der Kunstwerke ins Haus im Dezember 2021, intensive Provenienzforschung. Deren Ergebnisse – kurz gesagt: NS-Raubkunst oder nicht? – fielen sehr differenziert aus, von Restitution bis zur Möglichkeit dauernder Annahme.
Gurlitt. Eine Bilanz
16.9.2022 – 15.1.2023
Kunstmuseum Bern
Hodlerstr. 8–12
D-3011 Bern
Tel.: +41-31-3280944
Di 10 – 21 Uhr, Mi – So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 18 CHF, erm. 10 14 CHF
www.kunstmuseumbern.ch
Text: Dieter Begemann
Bild: Kunstmuseum Bern
Erstveröffentlichung in kunst:art 87