Eine ausdrucksstarke Sammlung

20.08.2022 - 08.01.2023 | Museum Folkwang

Die Welt der Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts nimmt rasant an Tempo zu. Wissenschaft und Technologie erreichen ihren Aufschwung und mit ihnen das beschwingte Lebensgefühl einer neuen Zeit. Die Emanzipation von Althergebrachtem findet auf nahezu allen Ebenen statt. Auch die Kunst löst sich von Sinneseindrücken, Form und akademischem Lehrbuch. Ausdrucksstark kehren Künstler Gefühle schillernd nach außen. Farbe und Wirkung werden gezielt kontraintuitiv eingesetzt und zur Loslösung von realistischer Farbgebung gesellt sich die Aufhebung detailgetreuer Darstellung.

Zum Sujet wird Alltägliches urbaner Lebenswelt, sowie eine idealisierte ländliche Idylle. Viele überfordert die neue Kunst, doch Karl Osthaus und Ernst Gosebruch sammeln und präsentieren begeistert die Werke im Stil des Expressionismus. Eng im Kontakt mit Künstlern und Zentren der neuen Kunstrichtung stellt Karl Osthaus Arbeiten der Avantgarde-Kollektive „Brücke“ und „Blauer Reiter“ aus. Als Gründer des Museum Folkwang in Hagen bildet er den Dreh- und Angelpunkt der jungen Szene und schafft eine Plattform, welche August Macke mit den Worten “Es ist eine ausgewählt schöne Sammlung, wie sie wohl selten zustande kommt“ beschrieb. Schnell katapultiert er das junge Museum in den Rang der angesehensten Häuser Deutschlands.

Ernst Gosebruch, ebenso angetan vom Expressionismus, übernimmt ab 1912 die Leitung des städtischen Kunstmuseums in Essen und fusioniert nach dem Tode Osthauses beide Museen zu einem einzigen, außergewöhnlichen Schauplatz, welcher Bandbreite und Vielfalt der Szene widerspiegelt. Das kunstvolle Spiel von Farbe und Wirkung, das Zusammentreffen von innerer Welt und äußerer Form ist es, was diese neue Art der Darstellung so faszinierend macht. Doch was eben noch neu, revolutionär und gefeiert war, gilt ab der Machtübernahme der Nazis als entartet und verfemt. Nicht dem ästhetischen Geschmack des Regimes entsprechend, werden Werke aufstrebender Vertreter der modernen Avantgarde als Schande und entartete Kunst aus dem nun verstaatlichten Museum entfernt und auch das Haus als solches wird im Laufe des Krieges zerstört. Schwer getroffen, doch nicht gebrochen erheben sich Szene wie Gebäude nach Kriegsende aus den Schrecken ihrer Zeit. “Expressionisten am Folkwang – Entdeckt, Verfemt, Gefeiert“ erzählt nun vom Neuaufbau der Sammlung, zeichnet auf 1.400 Quadratmetern Ausstellungsfläche die Historie des Museums nach und führt in vierzehn Kapiteln durch die enge Verwobenheit von Museum und Künstlern des Expressionismus.

Die hauseigene Sammlung wird hierfür ergänzt durch internationale Leihgaben aus Spanien, Österreich, der Schweiz und Deutschland. Hochkarätig, zum hundertjährigen Bestehen, gipfelt das Bestreben der Wiedervereinigung der Werke der ursprünglichen Osthaus Sammlung, in etwa 250 Meisterwerke unter anderem von Kandinksy, Kirchner, Kokoschka, Marc, Modersohn-Becker, Munch, Münter, Emil Nolde und Egon Schiele. Farbenfroh verknüpft die Schau Gegenwart mit Vergangenem, lädt ein, durch Zeit- wie Kunstgeschichte zu flanieren, und zeugt von den Höhen und Tiefen des letzten Jahrhunderts.

Expressionisten am Folkwang. Entdeckt – Verfemt – Gefeiert
bis zum 8.1.2023
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
D-45128 Essen
Tel.: +49-201-8845000
Di – So 10 – 18 Uhr, Do + Fr 10 – 20 Uhr
Eintritt: 14 €, erm. 8 €
www.museum-folkwang.de

Text: Johanna Bayram
Bild: Museum Folkwang
Erstveröffentlichung in kunst:art 88