Gegen den Strom schwimmen

16.3. – 28.5.2023 | Museum Moderner Kunst Kärnten

Ines Doujak wurde in Klagenfurt geboren, in der österreichischen Nachkriegszeit, der Zeit des Wiederaufbaus. Eine Zeit, in der Fidel Castro die Macht in Kuba übernahm, der Dalai Lama aus Tibet nach Indien floh und die Südtirol-Frage zu Bombenanschlägen, Reiseverboten und einer Rede des österreichischen Außenministers Bruno Kreisky vor den Vereinten Nationen führte. Eine Zeit der Unruhe, aber auch eine Zeit der Hoffnung. Mehr als sechs Jahrzehnte später kehrt die Künstlerin nun mit einer großen Ausstellung in ihre Geburtsstadt zurück, nachdem sie in London und Wien gelebt und ihre Kunst von Singapur bis Sevilla gezeigt hat.

Doujaks Kunst wird allgemein im Hinblick auf gesellschaftspolitische Themen wie Kolonialismus, Rassismus, wirtschaftliche Ausbeutung, Unterdrückung und Machtmissbrauch diskutiert. Die Künstlerin positioniert sich als Forscherin, Archivarin und Chronistin von revolutionären Frauen, vertriebenen Bevölkerungen, zerstörten Ökosystemen und den damit einhergehenden Ausprägungen von Armut, Krankheiten und Leid. Sie ist somit in der Traditionslinie solcher europäischer Künstler wie dem Dichter Robert Burns (1759–1796) zu sehen, der als Angehöriger der schottischen Minderheit im erst seit Kurzem englisch dominierten Vereinigten Königreich gegen wirtschaftliche, klassenmäßige und kulturelle Ungerechtigkeiten protestierte, als er 1784 das Gedicht “Man was made to Mourn” über “die Unmenschlichkeit des Menschen gegenüber dem Menschen” schrieb.

Ines Doujak scheint eine ähnlich pessimistische Sichtweise zu haben, aber es liegt in der Natur der Kunst, nicht aufzugeben und “Wege der Freiheit” (Kunsthistorikerin Angela Stief) immer wieder neu zu erfinden. Deshalb stellt Doujak so aktiv aus und arbeitet mit Künstlern und Institutionen in allen Teilen der Welt zusammen. Deshalb bricht sie immer wieder aus der Enge des “White Cube” aus, um mittels Podcasts und Interventionen die Dringlichkeit ihrer künstlerischen Vision effektiver zu transportieren.

Wenn Doujak die Ungleichheiten zwischen dem Westen und dem Globalen Süden thematisiert, beruht dies vielleicht auch auf ihrer persönlichen Erfahrung im Mikrokosmos, die sie makrokosmisch auf der Weltbühne betrachtet. Sie ist stolze Nachfahrin der Kärntner Slowenin Luzia “Cilli” Doujak (1905-1992), einer veritablen “Mutter Courage”, die scheinbar alle bitteren Schicksalswendungen, die einer Frau nur widerfahren können, durchmachte. Sie überlebte zwei Weltkriege und war auch danach ständiger Diskriminierung ausgesetzt, aufgrund ihrer slowenischen Herkunft und als aktives Mitglied der kommunistischen Partei. Ines Doujak war sozusagen schon vor ihrer Geburt eine Vorkämpferin für Feminismus und intersektionelle Anliegen. Kljub vsemu! Nevertheless! Nichtsdestoweniger!

Die multimediale Ausstellung zeigt eine repräsentative Auswahl von Doujaks aktuellen Arbeiten, die von Texten und Publikationen begleitet werden, um eine lebendige Collage aus Bildern, Texten und Empfindungen zu schaffen. Außerdem führt Doujak in sechs verschiedenen Räumen der ständigen Sammlung des MMKK grafische Interventionen durch. Während der Ausstellung findet im Mai eine Parade mit der Widerstandsband Praprotnice durch die Straßen Klagenfurts unter dem Titel “Die allerschönsten Frauen sind die Frauen der Revolution” statt. Der Leitspruch der Parade, “Krieg den Palästen, Friede den Hütten”, hallt generationenübergreifend in den Rufen und Transparenten “Eat the Rich” der jüngsten, jugendorganisierten Protestaktion gegen den Wiener Opernball nach. Es ist eine Zeit der Unruhe, aber auch eine Zeit der Hoffnung. Der Dalai Lama besuchte Kärnten, aber kann noch immer nicht nach Hause zurückkehren. Plus ça change, plus c’est la même chose.

Die Kuratorin und Kulturmanagerin Dr. Renée Gadsden würde sich freuen, eine Galerie, ein Museum, einen Kunstraum oder eine kulturelle Initiative in Europa zu leiten.

Ines Doujak. nevertheless.nichtsdestoweniger
16.3. – 28.5.2023
Museum Moderner Kunst Kärnten
Burggasse 8
A-9020 Klagenfurt
Tel.: +43-50-53634112
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 2,50 €
www.mmkk.at

Text: Dr. Renee Gadsden
Bild: Museum Moderner Kunst Kärnten
Erstveröffentlichung in kunst:art 90