von Dieter Begemann //
Bis zur (von US-amerikanischen geostrategischen Interessen erzwungenen) Öffnung Japans für den Westen im Jahre 1868 war das Land im Fernen Osten und seine Kultur mehr oder weniger nur Eingeweihten bekannt. In der Folge aber wurde Europa von einer wahren Japanomanie ergriffen. Die Begeisterung trug fruchtbare Folgen in Kunsthandwerk, Einrichtung, Musik, Mode. Und in den Künsten: Die westlichen Künstler waren förmlich verzaubert von einer für Japan typischen Kunstform, dem Farbholzschnitt. Eine überaus produktive Verzauberung: Das Kunstmuseum Solothurn hat sich nun vorgenommen, die Auswirkungen dieser Begeisterung konkret zu untersuchen am Beispiel schweizerischer Künstler der Moderne.
Das in Zusammenarbeit mit dem Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen konzipierte Ausstellungsprojekt stellt japanische Vorbilder und schweizerische Nachfolger nebeneinander, um so die Abhängigkeit, aber natürlich auch die spezifische Besonderheit der europäischen Künstler zu zeigen. Denn deren Hintergrund ist immer die Absetzungsbewegung von der lang hergebrachten akademischen Tradition, und dafür ist man für jegliche Anregung dankbar. Für Cuno Amiet etwa (1868-1961) liefert diesen Impuls zunächst die Schule von Pont-Aven und deren Bezug auf bretonische Volkskunst. Unmittelbar darauf aber wendet er sich der japanischen Holzschnittkunst zu, die seinen kontrastfreudigen, flächenbetonten Stil nachhaltig beeinflusst. Amiets Farbholzschnitte von mehren Platten sind unübersehbar in ihrer großflächigen Vereinfachung, ihrer Neigung zu schwungvoll zusammengefassten Großformen von den asiatischen Meistern geprägt, setzen aber auch klare eigene Akzente. Das ist allein schon aus produktionstechnischen Gründen unvermeidlich, waren die japanischen Drucke doch, von Verlegern organisiert und finanziert, in einem arbeitsteiligen Verfahren entstanden, während die Europäer auf einzelkünstlerische Eigenarbeit setzen. Und noch etwas war anders: Die von den Japanern gezeigte Welt des Ukiyo-e, der poetisch so genannten „fließenden Welt“ des Alltags, diese Welt war für Europäer unerhört exotisch (und auch für Japaner schon Vergangenheit). Das ist zwar reizvoll, aber die Schweizer, Franzosen und anderen Europäer wollen ihre eigene Gegenwart, die der allmählich an Fahrt aufnehmenden Moderne schildern.
Das belegt nicht minder ein umfangreiches Konvolut von Arbeiten aus dem Nachlass der Künstlerin Martha Cunz (1876-1961), welches das Kunstmuseum Solothurn 2003 erwerben konnte. Hier, wie auch bei Oskar Tröndle (1883-1945), findet sich eine typische Konzentration auf Muster und flächiges Ornament, die den Arbeiten große künstlerische Kraft verleiht. Die stilistischen Konzepte der Druckgrafik, dort noch nicht zuletzt technisch bedingt durch die Aufteilung auf einzelne Holzplatten, ließen sich auch übertragen in die Zeichnung und das Gemälde. Werke von Félix Valloton (1865-1925) und Giovanni Giacometti (1868-1933) stehen in der Ausstellung für diese Weiterentwicklung.
Text aus der kunst:art 56
Der japanische Farbholzschnitt als Inspiration
8.7. – 8.10.2017, Kunstmuseum Solothurn
Werkhofstr. 30, CH-4500 Solothurn
Tel.: +41-32-6244000
Di – Fr 11 – 17 Uhr, Sa – So 10 – 17 Uhr
Eintritt frei
www.kunstmuseum-so.ch
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