von Dr. Christine Breyhan //
„May your song always be sung – and may you stay forever young“ – Ihre Lieder werden noch gesungen, aber ihr Wunsch nach ewiger Jugend hat sich nicht erfüllt. Auch Joan Baez und Bob Dylon sind gealtert. Im Gegensatz zum Jugendwahn stellt das Älterwerden für unsere Gesellschaft den Wandel gesellschaftlicher Strukturen und demographischer Veränderungen dar. Die Ausstellung in Hannover greift dieses zukunftsträchtige Thema auf, wobei neben Erinnerungsbildern Verstorbener auch das Miteinander der Generationen gezeigt wird. Es werden Kunstwerke aus über drei Jahrtausenden vom Alten Ägypten bis in die Gegenwart präsentiert, die veranschaulichen, welche Vorstellungen damit verbunden sind.
Von Daniel Mauch stammt die 20,7 cm große Skulptur „Nackte Alte“ aus Buchsbaumholz, die um 1520 entstanden ist. Sie behandelt das Thema der „garstigen Alten“ im Gegenspiel zu den lieblichen, jungen Madonnen-Bildnissen. Die Figur zeigt realistisch die schlaffen Brüste, die welke Haut, den faltigen Bauch der alten Frau. Ohne verklärende Milde ist auch das Gesicht mit geöffnetem Mund und ausgefallenen Zähnen dargestellt. Im Gedicht „Die Greisinnen“ schreibt Charles Baudelaire von diesen „Seltsamen Wesen, so bezaubernd wie verwittert“ und bedauernd: „Es sind die Ungestalten einmal Fraun gewesen.“
Das Porträt, das Lovis Corinth von „Frau Luther“ mit Schoßhund malte, zeigt eine noch stattliche Frau im eleganten Kleid, in deren blassem Gesicht unter dem mächtigen blauen Federhut das Leben deutliche Spuren hinterlassen hat. Auch die ringgeschmückten Hände verraten das Alter. Nicht nur der farblich undefinierbare grau-beige Hintergrund, auch der wehmütig müde Gesichtsausdruck der Dargestellten verleihen dem Gemälde eine kühle, etwas triste Atmosphäre.
Seit der Antike wurden ältere Männer, insbesondere Philosophen und Dichter, würdevoll ins Bild gesetzt. Im Mittelalter und der Renaissance kamen Abbildungen von Heiligen hinzu. Peruginos weißhaariger „Heiliger Petrus“, in goldfarbenem, rot gefüttertem Umhang über blauem Gewand, ist mit Schlüssel und Buch ausgestattet. Er blickt ernst, scheinbar in himmlische Sphären.
Kritisch prüfend ist Max Liebermanns fast stechender Blick in den Spiegel: „Selbstbildnis“ von 1916. Der zum Zeitpunkt 69-jährige Maler steht mit dunklem Anzug und Krawatte vor der Leinwand. Die Selbstbefragung vor dem Spiegel im Alter empfindet Simone de Beauvoir als Komponente der Selbstentfremdung und des Überdrusses. Jean Améry spricht vom tragischen Ungemach des Alterns, sogar von der Akzeptation des Skandalösen.
Die Kuratorin der Ausstellung, Frau Prof. Dr. Lembke, resümiert: „Im gesellschaftlichen Diskurs spielen tradierte kulturelle Altersbildnisse kaum eine Rolle, so als würde der Konnex von Kunst und Gesellschaft – und die damit einhergehende Wahrnehmung des Alters – negiert. Mit der Ausstellung schließen wir diese Lücke und betreten gleichzeitig Neuland. Erstmalig präsentieren wir dieses brisante Thema in einer epochal- und disziplinübergreifenden Schau unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse der Kultur- und Sozialgeschichte.“
Silberglanz. Von der Kunst des Alters
29.9.2017 – 18.2.2018, Niedersächsisches Landesmuseum Hannover
Willy-Brandt-Allee 5, D-30169 Hannover
Tel.: +49-511-9807686
Di – Fr 10 – 17 Uhr, Sa + So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 4 €
www.landesmuseum-hannover.niedersachsen.de
Text aus der kunst:art 57
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