Mit der Erfindung und Nutzung des künstlichen Lichts begann ein neues Zeitalter, das sich in ökologischer, politischer, künstlerischer und privater Hinsicht fortan im Wandel befand. Galt Licht in seiner natürlichen Form einst noch als eine Art heilbringendes Spektakel, wird elektrisches Licht mit all seinen Facetten des Gebrauchs und dessen Konsequenzen in der heutigen Zeit oftmals negativ konnotiert und in Verbindung mit Verschwendung von Ressourcen und Verschmutzung gebracht. Die Elektrifizierung hat selbstredend auch vor künstlerischem Schaffen nicht haltgemacht, und so können wir aktuell auf eine nahezu einhundertjährige Geschichte zurückblicken, in der sich Kunstschaffende mittels Glühbirnen, Scheinwerfern, Leuchtstoffröhren, Neonlichtern oder LEDs dem Phänomen des künstlichen Lichts zugewandt haben. Die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg „Macht! Licht!“ fokussiert genau diesen kritischen Aspekt von Licht, indem bewusst allein jene künstlerischen Positionen gezeigt werden, die sich dem Einsatz von Licht auf der Ebene von politischen, ökologischen oder sozialen Gesichtspunkten nähern. Mit dieser klaren Pointierung möchte sich die Schau von der allgemeinen Präsentation von Lichtkunst abheben, indem weit über das Medium hinaus auch inhaltlich eine Fokussierung stattfindet.
Um die Ausstellung der Werke der mehr als fünfzig teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler – darunter Damien Hirst, Joseph Beuys, Sven Drühl, Tatsuo Miyajima oder Timm Ulrichs – zu strukturieren, sieht das Konzept bestimmte Gliederungsebenen innerhalb der abgedunkelten Halle des Museums vor: Utopie/Dystopie; Gewalt/Macht; Kontrolle/Überwachung; Werbung/Manipulation; Grenze/Ausgrenzung – um nur einige zu nennen. Jener konzeptionelle Ansatz fußt wohl einerseits auf dem Wunsch nach einer über das Material hinausgehenden Betrachtungsweise und ist andererseits auch einer interdisziplinären Herangehensweise zu verdanken, die sich auch in Form von Beiträgen aus Kunstwissenschaft, Soziologie, Biologie, Theologie und Philosophie in der Begleitpublikation manifestiert.
Und tatsächlich lässt sich das Phänomen des elektrisch erzeugten Lichts in diesen zunächst etwas sperrig klingenden konzeptuellen Reflexionsebenen, an welche das aus Andreas Beitin und Holger Broeker sowie Elena Engelbrechter und Regine Epp bestehende Kuratorenteam denkt, rasch auch erkennen. Lori Hersbergers Arbeit „Sunset 164” aus dem Jahr 2016 etwa gehört in die Rubrik Ökologie/Biologie, Claire FontainesForeigners Everywhere (French)” von 2006 lässt sich innerhalb von Grenze/Ausgrenzung betrachten und die Arbeit “It’s not Che, it’s Angela Merkel” (2014) des kubanischen Künstlerkollektivs Los Carpinteros gehört unverkennbar einer politischen Kategorie wie Gewalt/Macht an, keineswegs aber ohne dabei ihre humoristischen Züge aufzugeben. Denn die Einordnung oder besser Sortierung der zahlreichen Kunstwerke in eben jene konzeptuellen Grundpfeiler der Ausstellung sollen gewiss nicht bedeuten, dass eines der Kunstwerke in eine Schublade gesteckt wird und darin verhaftet bleibt; sie sollen eben nicht als dogmatische Vorgabe, sondern vielmehr als Vorschlag, sich diesem mannigfaltigen Spektrum an Lichtkunst-Arbeiten zu nähern, verstanden werden.
Dr. Denise Susnja ist Kunsthistorikerin und als freie Autorin im Rheinland tätig.
Macht! Licht!
12.3. – 10.7.2022
Kunstmuseum Wolfsburg
Hollerplatz 1
38440 Wolfsburg
+49 (0)5361 26690
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 8 €
www.kunstmuseum.de
Text: Dr. Denise Susnja
Bild: Kunstmuseum Wolfsburg
Erstveröffentlichung in kunst:art 84