von Dr. Michael Nießen //
Was muss das für eine Zeit gewesen sein, dieses 16. Jahrhundert in Venedig! San Marco erglänzte golden, umhüllt von prachtvoller Polyphonie, Tizian malte die Assunta für die Frarikirche, alle großen Paläste und Bauwerke der Serenissima waren fertig gestellt – und dann gab es da noch Maler wie Jacopo Tintoretto und Paolo Veronese! Zur Karnevalszeit des Jahres 1542 spielte man Stücke von Pietro Aretino, dekoriert von niemand geringerem als von Giorgo Vasari und – immerhin – mit Bühnenbildern von Tintoretto!
Zum 500. Geburtstag von Tintoretto bringt das Wallraf-Richartz-Museum Köln zum Jahreswechsel 2018 eine vom Kurator Roland Krischel exzellent aufbereitete Gesamtschau der „frühen“ Werke – hauptsächlich Malerei –, aus allen Teilen der Welt kommend und mit Eigenbestand zusammengestellt. Nicht nur das, Krischel gelingt es, interessante Relationen aufzuzeigen, die durch zeitgenössische Zeichnungen, wenige eigenhändige Grafiken von Tintoretto und analoge Skulpturen den großen Zusammenhang der verschiedenen Künste dieser Zeit dem Betrachter nahebringen. Leihgaben zu dieser Ausstellung kommen von Queen Elizabeth II., dem Kunsthistorischen Museum Wien, den Beaux Arts Brüssel, dem Prado in Madrid, dem Nationalmuseum Budapest, der Accademia Venedig, um nur einige zu nennen, und zeigen beeindruckend den Rang des Wallraf-Richartz-Museums im Reigen der Großen.
Was nun hat diesen Tintoretto, des Färbers Sohn, so berühmt gemacht? Tizian, der älter war als er, war sicherlich der unbestrittene Malerfürst dieser Zeit. Natürlich gab es einen Wettstreit zwischen den damaligen Künstlern, den Tizian nicht nötig hatte, Tintoretto und Veronese hingegen schon. Es drängt sich hier der Vergleich auf zur Barockzeit in Rom: Wer war besser – Bernini oder Borromini? Etliche Jahrzehnte früher könnte man fragen: Tizian oder Tintoretto? Es sind die Unterschiede der Art der Malerei, nicht der Qualität, die beim Betrachter der jeweiligen Gemälde jenen Moment auslösen, der ihre Unverwechselbarkeit tief im Gedächtnis bleiben lässt. Man betrachte nur die Meisterschaft, mit der Tintoretto mit wenigen Pinselstrichen die Fransen am Tischtuch in der Szene der Emmausjünger malte! Nervös, etwas schemenhaft, aber so unvergleichlich echt, dass man glaubt, man säße selbst am Tisch und sähe zu.
Die Ausstellung selbst ist in sieben Kapitel gegliedert, es wird gesprochen von: „Ins Auge springen, Schönheit und Schrecken, Kulissenzauber, Die dritte Dimension, Tintoretto und sein Double (hier wird Bezug genommen auf den wissenschaftlichen Streit seit 1995, der bis heute nicht geklärt hat, wie weit der Maler Giovanni Galizzi nur Partner oder Konkurrent Tintorettos war), Der Blick der Bilder, Femmes fatales“. Daneben kann man jenen Film bewundern, den Dagmar Knöpfel 2000 für den Bayerischen Rundfunk gedreht hat und der den bezeichnenden Titel trägt: „Das Drama des Bildes“.
Gestorben ist Jacopo Tintoretto im Jahre 1594, sein schlichtes Grab befindet sich in der Kirche Madonna dell‘Orto in Venedig, jener Kirche, für die er einige Bilder malte.
Zum Schluss sei ein Teil jenes Textes zitiert, der den Besucher am Anfang der Ausstellung in die Welt Tintorettos einführt: “Malerei war für Tintoretto das Mittel, aus der Anonymität zu treten, soziale Mauern zu durchbrechen und Mitsprache auszuüben. Sie erlaubte es ihm, in den öffentlichen Raum, die Adelshäuser und den Dogenpalast vorzustoßen. Zugleich bot sie ihm ein Ventil für seine überbordende Phantasie und Schöpfungskraft. So entstand ein malerisches Paralleluniversum, das mit Macht in die Welt des Betrachters drängt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Tintoretto – A Star was born
6.10.2017 – 28.1.2018, Wallraf-Richartz-Museum
Obenmarspforten, Am Kölner Rathaus, D-50667 Köln
Tel.: +49-221-22121119
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 13 €, erm. 8 €
www.wallraf.museum
Text aus der kunst:art 58
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.