von Julia Behrens //
Der englische Bildhauer Richard Deacon ist ein Magier: Bei ihm kann Holz schon mal die Form von Stahl oder Keramik die Struktur von Papier annehmen. Die Experimentierfreude, mit der der berühmte, heute 68jährige Brite seine Skulpturen in neue Dimensionen überführt, wird in diesem Jahr mit gleich mehreren Ausstellungen gefeiert. Anlass der Schau in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn ist die Verleihung des Ernst Franz Vogelmann-Preises für Skulptur, der alle drei Jahre ausgelobt wird und 2017 an Deacon geht.
Gezeigt werden Arbeiten aus sechs Jahrzehnten, angefangen von frühen Zeichnungen, Fotos und Plastiken aus den 1960er Jahren bis hin zu neusten Werken – wie der Arbeit „Big Time“ von 2016. Die Edelstahlskulptur wirkt so, als sei sie eine leichte, mit lila Farbe übergossene und mit Helium gefüllte Ballonkreation. Auch hier stellt der Bildhauer Sehgewohnheiten in Frage, die sich an der physischen Beschaffenheit bestimmter Werkstoffe festmachen. „Big Time“ ist ähnlich robust wie die aus dem gleichen Material geschaffene Arbeit „It’s like a rock“ von 2015, mit der Deacon den Außenraum der Kunsthalle bespielt. Der Engländer ist bereits seit den 1980er Jahren mit einer Vielzahl abstrakter, meist in sich verschlungener und oft mit erstaunlicher Leichtigkeit ausgestatteten Skulpturen aus Stahl im öffentlichen Raum vertreten.
Doch vor allem Holz versetzt Deacon in so ungewöhnliche Zustände, dass es oft nur noch anhand seiner Faserung zu erkennen ist. In unterschiedlichen Ausmaßen dreht, biegt und windet es sich durch den Ausstellungssaal und negiert auf diese Weise seine eigene, im Wachstum des Baums angelegte Statik. Durch die Verwendung von Eisen- oder Kupferpulver verleiht der Bildhauer ihm dann gelegentlich eine „oxidierende“ Wirkung oder er kombiniert es – wie in der Skulptur „Red Sea Crossing“ von 2003 – gleich mit Metall.
In der Heilbronner Ausstellung, die in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entstand, sind außerdem Arbeiten aus Porzellan, Keramik, Karton, Polyester, Plexiglas und Beton in zum Teil raumgreifenden Dimensionen zu sehen. Die Werke entwirft Deacon zunächst auf Papier. Anschließend fertigt der Engländer, der sich selbst als „fabricator“ – als „Hersteller“ – bezeichnet, kleine Maquetten an, um diese dann extern vergrößern zu lassen. Der Entstehungsprozess, auf den sich auch der Titel der Ausstellung – About Time – bezieht, spielt für ihn eine wesentliche Rolle. Der in Wales geborene Künstler besitzt außerdem eine säuberlich geordnete Sammlung von Fundstücken aus der Natur, von kleinen Spielzeugen seiner Kinder, sowie von anderen maschinengefertigten Gegenständen, die ihm zufällig in die Hände fallen und ihn zu neuen Lösungen anregen. Dabei ziehen sich nicht nur Fragen an die Materialität und die damit verbundenen Grenzen der Gestaltung, sondern auch die Hinwendung zu organischen Formen wie ein roter Faden durch sein Werk.
Ernst Franz Vogelmann-Preisträger 2017
Richard Deacon. About Time
29.10.2017 – 25.2.2018, Kunsthalle Vogelmann
Allee 28 , D-74072 Heilbronn
Tel.: +49-7131-564420
Di – So 11 – 17 Uhr, Do 11 – 19 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 4 €
www.museen-heilbronn.de/kunsthalle
Text aus der kunst:art 58
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