von Sabine Scheltwort //
Der Elfenbeinturm war nie eine Option für Florian Köhler, im stillen Kämmerlein mit abstrakten Formen vor sich hinzuexperimentieren war nicht seine Sache. 1935 in Frankfurt geboren, war er zeit seines Lebens ein Beobachter der Außenwelt. Köhler tauschte sich gern aus, besuchte gemeinsam mit anderen Ausstellungen und reflektierte das Gesehene. Aus der reichen Kunstgeschichte zwischen Barock, Klassischer Moderne und abstraktem Expressionismus nahm er für sich, was er für richtig hielt. Mit seiner farbenfrohen Mischung aus Abstraktion und Figürlichkeit wandte er sich immer wieder neuen politischen und gesellschaftlichen Themen zu, die ihn bewegten.
Trotz des Weltkriegs hatte Florian Köhler sehr früh Kunstunterricht erhalten. Später studierte er am Städel und in München. 1959 gründete er mit Kommilitonen der Münchener Akademie die Gruppe WIR. Sein Bild „Höllensturz“ von 1963 zeigt ihn noch stark vom Barock beeinflusst. 1965 entstand „Superman II“, in dem er unterschiedliche Stile vereinte: rechts ein heftig konturierter Supermann aus Rasterfolie, links eine kaum zu identifizierende weibliche Figur, die sich fast aufzulösen scheint in farbenfrohen Ornamenten. Die Mitte – leer. Hier stoßen harte schwarze Kanten und weiche Formen in hellen Farben, abendländische Weichheit und neuweltliche Technikheldenfigur aufeinander – ohne sich wirklich zu begegnen oder gar in einer Synthese zu vereinen. Köhler schrieb von „kontrapunktischen Möglichkeiten“ und traf damit auch die Stimmung in der Bundesrepublik jener Jahre, in denen nach dem Wirtschaftswunder die Studenten gegen das „Weiter so“ der Älteren rebellierten.
In München schloss sich die Gruppe WIR mit der politisch agierenden Gruppe SPUR zusammen, was letztlich in die neue Gruppe GEFLECHT mündete. Köhler begann, Vorgefertigtes wie Silberfolie oder Papierschnipsel von Autowerbung in seine Arbeiten zu integrieren. Er befasste sich in seinen Bildern mit dem Krieg in Vietnam, den olympischen Spielen, dem Militärputsch in Griechenland – immer mit einem kritischen Impetus. So zeigt etwa das Bild „Vor Tagesanbruch ist die Nacht am dunkelsten“, wie im Morgengrauen des 21. April 1967 der Politiker Andreas Papandreou verhaftet wurde. Mitte der siebziger Jahre – Köhler war inzwischen nach Hamburg gezogen – wandte er sich den Lebenswelten von Arbeitern zu und thematisierte die körperliche Arbeit. Auch Mobilität und Autos interessierten ihn.
Die Kunsthalle Schweinfurt legt einen besonderen Akzent auf die neofigurative Formensprache der 1950er und 60er Jahre bis heute. Sie zeigt in einer schlüssigen Hängung im vierseitigen Umgang unter dem Innenhof eine repräsentative Auswahl von 60 Werken des 2013 gestorbenen Künstlers, der bis zuletzt farbgesättigte Bilder schuf, häufig inspiriert vom französischen Feriendomizil Ile d’Oléron. Ihm beigesellt sind Arbeiten seines Bildhauerfreunds Lothar Fischer (1933-2004), der ebenfalls in den Gruppen SPUR, WIR und GEFLECHT aktiv war.
„Bei Tagesanbruch ist die Nacht am dunkelsten“
Florian Köhler und Lothar Fischer
8.12.2017 – 8.4.2018, Kunsthalle Schweinfurt
im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad, Rüfferstr. 4, D-97421 Schweinfurt
Tel.: +49-9721-514734
Di – So 10 – 17 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 4 €
www.kunsthalle-schweinfurt.de
Text aus der kunst:art 59
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