Kaleidoskop französischer Moderne

15.4. – 15.9.2019 | Kunsthalle Würth

Um 1900 war Paris Anziehungspunkt für Künstler aus aller Welt. Maler und Bildhauer fanden nicht nur auf dem Montmartre in altem Baubestand Unterschlupf, sondern zunehmend auch am Montparnasse, wo bemerkenswert improvisierte Atelier-Behausungen – ganze „Cités d’Artistes“ – in schwindelerregend kurzer Zeit aus dem Boden schossen.

Die französische Metropole lockte mit renommierten Privatakademien und progressiven Ausstellungsformaten wie dem Salon des Indépendants und dem Salon d’Automne. Außerdem sorgten weitsichtige Kunsthändler für den Ankauf und die Verbreitung von neuen Werken und Ansätzen, mit denen sich in Paris zahlreiche Künstler von der naturalistischen Wiedergabe der Wirklichkeit lösten. Einen intensiven Blick auf die Entwicklung dieser französischen Moderne von ihren Anfängen bis in die Gegenwart bietet in diesem Sommer die Ausstellung „Von Henri Matisse bis Louise Bourgeois. Das Musée d’Art moderne de la Ville de Paris zu Gast in der Kunsthalle Würth“. Die Sammlung der 1937 gegründeten, städtischen Institution, die zeitweise im Petit Palais und dann 1961 dauerhaft im Palais de Tokyo installiert wurde, konzentrierte sich lange auf die weit verzweigte Kunstszene in Paris. Dadurch finden sich in der mit 200 Werken bestückten Schau in Schwäbisch Hall nicht nur berühmte Künstler wie Matisse, Picasso, Derain oder Dufy, sondern auch weniger bekannte Namen.

Entlang der vorwiegend an Stilen orientierten Präsentation überraschen nach der farbentfesselten Malerei der „Fauves“ ganz unterschiedliche Spielarten des Kubismus. Bei Braque, Picasso und Gris angefangen, zieht selbiger weite Kreise und wird beispielsweise von der Künstlervereinigung „Section d’or“ mit Gleizes, Metzinger oder Lhote figurativ und großformatig umgedeutet. Doch es ist auch die Stadt selbst, die in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit ihrer pulsierenden Dynamik und der Sichtbarmachung des technologischen Fortschritts Inspiration liefert. Sonia und Robert Delaunay, Léger oder Kupka finden zu einer neuen Formensprache, indem sie Linien und Farbflächen stark rhythmisieren. Zeitgleich halten andere Vertreter der École de Paris wie van Dongen, Modigliani, Suzanne Valadon oder Soutine der Gesellschaft mit zum Teil schmerzvoll gezeichneten Porträts den Spiegel vor. Entrückt und melancholisch wirken auch die vor dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Arbeiten der Realisten Jean Foutrier oder Francis Gruber, während das Werk Bernard Buffets nach 1945 von existenzialistischer Zerrissenheit zeugt. Anfang der 1960er Jahre aktivieren dann die „Nouveaux Réalistes“ – oft in spektakulären Aktionen – Alltagsdinge als Material für ihre Kunst. Diese Experimentierfreude findet sich schließlich auch in zwei raumgreifenden Arbeiten von Annette Messager und Louise Bourgeois, mit denen die Schau einen temperamentvollen, zeitgenössischen Schlusspunkt setzt.

Von Henri Matisse bis Louise Bourgeois
15.4. – 15.9.2019
Kunsthalle Würth
Lange Str. 35
D-74523 Schwäbisch Hall
Tel.: +49-791-946720
Täglich 10 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.kunst.wuerth.com

Text: Julia Behrens
Bild: Kunsthalle Würth
Erstveröffentlichung in kunst:art 67