Zuweilen ist es schwer zu entscheiden, wann ein Happening endet und die Performance beginnt. Denn ist es nicht so, dass der Performer selbst durch seine Reaktion auf die Reaktion des Publikums zu reagieren versucht? Eine Tautologie? Mitnichten.
Der 1945 geborene Boris Nieslony, der das Fach Malerei zunächst an der Hochschule der Künste in Berlin studierte, hätte damals keine genaue Antwort geben können. Auch nicht dann, als er nach Hamburg wechselte, nur nebulös ahnend, was er da 1966 mit einer ersten Aktion im öffentlichen Raum ins Rollen brachte. Nieslony suchte damals noch nicht nach einer genauen Beschreibung dessen, was eigentlich passiert ist und noch weniger danach, was auf ihn zukommen sollte: Es war am 2. Oktober 1966 in Hannover, als er im öffentlichen Raum mit einer Performance begann, die dann neun Monate andauerte. Er lebte auf dem Georgenplatz innerhalb eines Kreidekreises, was für ihn ein politischer Akt par excellence war und zugleich einen zeitlichen Verlauf markierte: die Zeit nach dem 2. Oktober fand für ihn hier und jetzt – da innerhalb des Kreises – statt und alles, was zeitlich zuvor geschah, gehörte zum äußeren Bereich.
Die berechtigte Frage war jedoch, welches Verhältnis dies zur Kunst hatte, denn in Nieslonys Augen waren beispielsweise die „(…) Auftritte der Futuristen oder die von Schwitters oder die der Surrealisten noch nicht Performance Art (…).“ Ein wesentlicher Parameter fehlte da – der des Performers als Betrachter: „Diese “Erfindung” ist auch eine der wesentlichen Differenzen in der Begriffsentwicklung der Performance zu “Performance Art”: Die performative Dimension einer Handlung (die Aktion und die parallele Beobachtung, die Wahrnehmung, die Betrachtung) ist sein eigentliches Leben, seine “wirkliche Wirkung” (….). Die Trickster, die Bewohner der Ränder der Gesellschaften, verbanden in ihrem Habitus “publik machen” und “publik sein”. Sie fielen aus jeder kulturellen und aus jeder symbolischen Ökonomie, sie stellten, berufslos und gewerbelos, kein Kapital dar, bewegten sich entgegen jeder substanziellen Interpretation in dem relational Gegebenen – in relativen Positionen und in einem Raum von Relationen, seit eh und jeh, zeitlos, wie es nun die Ränder so an sich haben.“
Das Museum Ratingen ließ Nieslony jetzt eine große Ausstellung konzipieren, in der er nicht nur seine Performances Revue passieren lässt, sondern auch versucht, eine tiefgehende Befragung von Bildern und Begriffen neu zu untersuchen, deren Klärung sich über die Jahre 1975 bis heute erstreckt: „PERFORMANCE – ART ist ein offenes Kultursystem, da es aus allen Kunst- und Kultursparten gespeist wird und auf diese zurück wirkt. Die Denkbewegungen, die zu dem Entstehen eines Bildes führen, werden direkt geäußert und wirken gleichzeitig auf den Künstler und den Betrachter. Die Weltbilder, die bei Performance-Art zur Darstellung kommen, benötigen keine Abbilder, keine Umwege mehr, sie sind keine Symbole, sie sind motivlos. Damit erfüllen sie auch die ursächlichen Wünsche der klassischen Künste (…)“, so sein Credo.
Boris Nieslony: Das es geschieht
28.6. – 6.10.2019
Museum Ratingen
Peter-Brüning-Platz 1 (Eingang Grabenstraße 21)
D-40878 Ratingen
Tel.: +49-2102-5504181
Di – So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 3 €, erm. 1,50 €
www.museum-ratingen.de
Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Museum Ratingen
Erstveröffentlichung in kunst:art 68