Mit kahlrasiertem Kopf und zweifelndem Blick schaut ein kleiner Junge in die Kamera. Er trägt ein Halstuch und ist „Pionier“ im sowjetisch regierten Litauen der 60er Jahre: eine eindrucksvolle Aufnahme des baltischen Fotografen Antanas Sutkus (*1939), die jetzt im Rahmen seiner großen Einzelausstellung „KOSMOS“ in Mannheim gezeigt wird. Die Schau war bereits im letzten Jahr anlässlich des hundertsten Jahrestags der Wiedergründung der Republik Litauen in Vilnius zu sehen und umfasst etwa 200 Werke dieses bedeutenden Vertreters sogenannter „humanistischer Fotografie“.
Menschen im Alltag rücken dabei in den Blick. In Sutkus Fall sind es seine Landsleute, die er während des Kalten Krieges liebevoll und ungeschönt porträtiert: spielende Kinder in löchrigen Straßen, Jugendliche vor Plattenbauten, verhärmte Männer und Frauen bei der Arbeit, Passanten in der Stadt. Bauern, Künstler, Schüler und Studenten, mal freudig, mal desillusioniert und immer erstaunlich authentisch.
Mit dieser äußerst realen Chronik avanciert der Fotograf nicht gerade zum Liebling des politischen Systems. Und doch gelingt es Sutkus, der damals für litauische Zeitungen und Magazine tätig ist, die Entwicklung der Fotografie in seiner Heimat nachhaltig zu beeinflussen, indem er in den 60er Jahren eine Union von Kunstfotografen gründet. Nach der Wende folgen zahlreiche Preise und Ausstellungen – für die Fähigkeit, ein Land in schwierigen Zeiten in seinem ganzen Wesen zu erfassen.
Antanas Sutkus. Kosmos
7.9.2019 – 26.1.2020
ZEPHYR zu Gast im Museum Zeughaus
C5
D-68159 Mannheim
Tel.: +49-621-2932120
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 4,50 €
www.zephyr-mannheim.com
Text: Julia Behrens
Bild: ZEPHYR zu Gast im Museum Zeughaus
Erstveröffentlichung in kunst:art 69
