Sie wirken wie aus der Welt gekippt: Die Bilder der 53 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler, die unter dem exklamatorischen Titel „Jetzt!“ von September bis Januar an drei verschiedenen Spielorten vorgeführt werden (Ein vierter Teil wird im kommenden Jahr in Hamburg folgen). In der ambitionierten Überblicksschau, in der sich aktuelle Tendenzen der jungen Malerei-Szene in Deutschland spiegeln sollen, gibt es viele Positionen auf Leinwand, die die Gegenwart mal radikal, mal überlegt befragen und auf eigenwillige Weise neu zusammensetzen: Komplexe Systeme aus Farbe, entworfen von mittlerweile erfolgreichen Absolventen deutscher Kunstakademien, die heute zwischen 30 und 40 Jahre alt sind.
Die Malerinnen und Maler wurden von einer Reihe von Fachleuten unter 150 möglichen Kandidaten ausgewählt und zeigen nun parallel jeweils drei Arbeiten im Kunstmuseum Bonn, im Museum Wiesbaden und im Museum Gunzenhauser in Chemnitz. Obwohl viele mit ihrer Malerei auch installativ in den Raum gehen, sind sie in „Jetzt!“ mit der Form des klassischen zweidimensionalen Tafelbilds vertreten. Und gerade das bietet wegen seiner mit einschlägigen Vorbildern und heftigen Kontroversen gepflasterten Geschichte heute wieder Projektions- und Angriffsfläche für künstlerischen Ausdruck. Schon seit der Moderne geht es in der Malerei nicht mehr darum, die eigene Vorstellung von Wirklichkeit auf perspektivisch korrekte Art abzubilden, sondern individuelle, eben oft auch abstrakte Formeln dafür zu finden. An die Stelle illusionistischer Tiefe tritt eine formale, physische und semantische Vielschichtigkeit.
Doch wie sieht die in der zeitgenössischen Malerei konkret aus? Zuerst fallen die großen Formate ins Auge. Sie bieten eine ideale Spielfläche für den Wettstreit zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, der sich auf vielen Leinwänden in kräftigen Farben abspielt und unterschwellig die uralte bildimmanente Diskrepanz betrifft – zwischen der Darstellung und den Mitteln, die sie heraufbeschwören. Im figurativen Bereich gibt es nicht selten surreale Verschiebungen, die etwas Unwirkliches, Traum- oder Albtraumartiges haben und bedeutungsoffen bleiben. Auch die Malerei, die ausschließlich abstrakt ist, wagt im Verhältnis zwischen Chaos und Ordnung neue Setzungen.
Grundsätzlich auffallend ist die häufige Verwendung von Zeichen, Wörtern und Bildsprachen, die an Alltagsfragmente im öffentlichen Raum erinnern. Auch visuelle Codes aus Filmen, Computerspielen oder Comics finden auf einige Leinwände. Überhaupt gibt es die Tendenz, Zeichnung und Malerei miteinander zu verweben und damit neue Räume zu erschließen. Viele Arbeiten sind sogenannte Bad Paintings und treten extra „ungekonnt“ auf. Tatsächlich geht es jedoch um das Ausloten und Überschreiten von Grenzen in formaler, stilistischer, materieller und inhaltlicher Hinsicht. Und darum, wie viel ein Bild aushalten kann, um Brüche und Unwägbarkeiten sichtbar zu machen, ohne dabei als kompositorisches Ganzes auseinanderzufallen.
Jetzt! Junge Malerei in Deutschland
19.9.2019 – 19.1.2020
Kunstmuseum Bonn
Museumsmeile
Helmut-Kohl-Allee 2
D-53113 Bonn
Tel.: +49-228-776260
Di – So 11 – 18 Uhr, Mi 11 – 21 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 3,50 €
www.kunstmuseum-bonn.de
Jetzt! Junge Malerei in Deutschland
20.9.2019 – 19.1.2020
Museum Wiesbaden
Friedrich-Ebert-Allee 2
D-65185 Wiesbaden
Tel.: +49-611-3352250
Di + Do 10 – 20 Uhr, Mi + Fr 10 – 17 Uhr, Sa + So 10 – 18 Uhr
www.museum-wiesbaden.de
Jetzt! Junge Malerei in Deutschland
21.9.2019 – 19.1.2020
Kunstsammlungen Chemnitz
Museum Gunzenhauser
Falkeplatz
D-09112 Chemnitz
Di + Do – So 11 – 18 Uhr, Mi 14 – 21 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 5 €
www.kunstsammlungen-chemnitz.de
Bild: Kunstmuseum Bonn
Erstveröffentlichung in kunst:art 69