Der kritische Blick

22.9.2019 – 1.6.2020 | Arp Museum Bahnhof Rolandseck

Bilder entstehen im Kopf! Der Kontext, die eigene Erfahrung, das Wissen um Geschichte und Gegenwart und sogar die Gemütslage zum Zeitpunkt des Betrachtens verändern ein Bild, das man betrachtet. Diesen Umstand macht sich die Ausstellung im Arp Museum in Remagen zunutze.

42 klassische Gemälde und Skulpturen der Sammlung Rau werden mit 20 preisgekrönten Reportagefotografien aus dem UNICEF-Wettbewerb »Foto des Jahres« zusammen ausgestellt. Kontext sind die vier Elemente Wasser, Erde, Feuer und Luft. Teilweise wirken die Bilder so, als seien sie füreinander gemacht worden. Im Mittelalter scheint noch alles gut zu sein, eine fröhliche Gemütsstimmung ist geradezu fühlbar. Die Fotografien zeigen mit teils fast identischem Bildaufbau Elend, Zerstörung, Armut und Hoffnungslosigkeit.

Rada Akbar, Afghanistan: Nur das Träumen ist schön, 2015

Was mit dieser Ausstellung gezeigt werden soll, liegt auf der Hand und auch im Begleittext zur Ausstellung wird damit nicht hinterm Berg gehalten. Natürlich war im Mittelalter und selbst noch in der Industrialisierung im 19. Jahrhundert im Vergleich zur heutigen Zeit die Natur noch in Ordnung. Das Wasser und die Luft waren sauber, die Böden waren noch voller Schätze, nur das Feuer war schon damals heiß. Ganz anders sieht die lädierte Umwelt in der Gegenwart aus. Verschmutztes Wasser, verpestete Luft, ausgeraubter Boden und selbst das Feuer sieht schmutzig und gemein aus. Das ist uns allen bewusst, es aber so explizit, so schamlos in aller Deutlichkeit zu sehen, schmerzt ungemein!

Doch nach und nach, und damit entfernen wir uns vom Begleittext des Museums, kann einem auch klar werden, dass das nicht ausschließlich ein Resultat der Zeit und des Hungers der Menschen ist. Auch das Motiv des Künstlers (Fotografen) spielt eine Rolle, und die Bildauswahl. Natürlich, die Natur war im Mittelalter und bis zum 19. Jahrhundert im Vergleich zu Gegenwart fast unberührt. Doch vielen Menschen, auf den Bildern lächelnd zu sehen, ging es damals viel schlechter, als es den Anschein hat. Im Gegensatz zu den zeitgenössischen Fotografien zeigen die Bilder ein idealisiertes Bild, nicht die vermeintliche Wahrheit. Auch das gehört zur Wahrheit hinter den Bildern.

Eine großartige Ausstellung, die einem vor Augen führt, wie wichtig die ausführliche und kritische Bildbetrachtung ist. Erst durch sie dringt man zum Kern des Bildes durch!

Noch bis zum 5. Januar läuft parallel zur oben genannten Ausstellung eine „Otto Piene“-Ausstellung. Auch Otto Piene (1928–2014) hat sich intensiv mit den Elementen beschäftigt, wobei sicherlich Licht das wichtigste für den „Zero-Künstler“ war.

 

Kunstkammer Rau: Die vier Elemente
22.9.2019 – 1.6.2020
Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
D-53424 Remagen
Tel.: +49-2228-942516
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 7 €
www.arpmuseum.org

Text: Mathias Fritzsche
Bild: Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Erstveröffentlichung in kunst:art 70

Über Mathias Fritzsche 125 Artikel
Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?