Das Jahr 1871 war ein besonderes Jahr für Deutschland, aber nicht nur dieses Land, denn auch in anderen Ländern tat sich zur selben Zeit Bedeutendes. Das Besondere für die Deutschen war die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches im Schloss Versailles und die Ernennung Wilhelm I. zum Kaiser. Das alles war vor 150 Jahren und bemerkenswert ist, dass zu jener Zeit Frauen in Deutschland und dem Deutschen Reich keinen Zugang zu Kunstakademien hatten. In Russland hingegen ließ die Russische Kaiserliche Kunstakademie in St. Petersburg Frauen zum Kunststudium zu, eben in jenem Jahr 1871.
Es musste erst das Kaiserreich überwunden werden, bis dann schließlich fünfzig Jahre nach Russland auch Deutschland Frauen den Zugang zu einem Kunststudium an einer Kunstakademie gestattete; genau vor hundert Jahren in der Weimarer Republik und damit zwei Jahre nachdem Frauen erstmals im Januar 1919 an der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung teilnehmen durften.
Seit 1921 werden also Frauen in Deutschland an der Kunstakademie zum Studium zugelassen. Anlässlich dieses Ereignisses widmet sich die Ausstellung „Mirrors and Windows“ in der Sammlung Philara in Düsseldorf-Flingern dem hundertjährigen Jubiläum der Zulassung von Frauen an der Kunstakademie Düsseldorf.
Es ist nicht Stolz, der Anlass zum Feiern dieser Tatsache gibt, es ist eher Genugtuung, die dazu führt, dass man anlässlich dieses Jahresdatums auch auf die noch weiter bestehenden Ungleichheiten hinweisen will, die für Frauen im Kunstbetrieb weiterhin existieren.
Die Ausstellung will untersuchen und zeigen, welche positiven Veränderungen bereits angestoßen wurden und welche Hürden weiterhin bestehen? Vor allem seit den siebziger Jahren und dem Antritt der sozialliberalen Koalition in Bonn sind deutsche Kunsthochschulen weiblicher geworden, wo Frauen inzwischen sogar schon etwa 60 Prozent der Studierenden ausmachen. Doch gleichzeitig kämpfen sie noch immer um Gleichberechtigung im Kulturbetrieb und sind in Museen, auf dem Kunstmarkt und in der Lehre deutlich unterrepräsentiert. Auf derlei Ungleichheiten will die Ausstellung aufmerksam machen.
So sind die in der Sammlung gezeigten Werke Analysen der jeweils eigenen Position und es sind Hinterfragungen von Machtstrukturen, die sich in der Zeit der Entstehung der Kunstwerke jeweils stellten. Immer wieder sind es Deutungen geschlechtsspezifischer Rollenzuweisungen, unverwandte Blicke ins Private, das wiederum öffentlich wird, oder auch die Bloßlegung männlicher Herrschaftsposen und Herrschaftsriten.
Neben Werken renommierter Positionen der Gegenwartskunst verweist die Gruppen-Ausstellung auf Arbeiten von Frauen, die einem großen Publikum bisher unbekannt geblieben sind, da sie vom System ihrer Zeit nur spärlich erfasst oder ihre Anerkennung weniger prominent bis in die Gegenwart getragen wurde. Zu sehen sind Werke aktueller und ehemaliger Professorinnen an der Kunstakademie Düsseldorf, darunter Hilla Becher, Keren Cytter, Ellen Gallagher, Katharina Grosse, Nan Hoover, Franka Hörnschemeyer, Magdalena Jetelová, Rita McBride, Beate Schiff, Anna Simons, Rosemarie Trockel, Rebecca Warren und Katharina Wulff.
Mirrors and Windows. Group Show
18.6. – 3.10.2021
Sammlung Philara
Birkenstr. 47
D-40233 Düsseldorf
Tel.: +49-211-24862721
Do – So 14 – 18 Uhr, Fr 14 – 20 Uhr
Eintritt: Pay what you wish
www.philara.de
Text: Bence Fritzsche
Bild: Sammlung Philara
Erstveröffentlichung in kunst:art 80