„Nobel, der König versammelt den Hof …“

26.6.2021 – 6.6.2022 | Herrenhaus auf Gut Hohen Luckow

Die Hegenbarth Sammlung ist der Förderung der grafischen Künste verpflichtet, hat doch ihr Namenspatron Joseph Hegenbarth (1884–1962) als Zeichner, Grafiker und Illustrator Bemerkenswertes geschaffen und zählt in diesen Ressorts zu den großen Namen der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts. Um die Traditionslinie weiter in die Zukunft zu führen, hat die Berliner Sammlung zusammen mit dem Gut Hohen Luckow (und unter der Obhut der Familienstiftung Ruth Merckle) ein Programm „Artist in Residence“ ins Leben gerufen. 2021 geht es in die dritte Runde, Gast von AiR ist heuer Bodo Rott. Der aus Süddeutschland stammende, heute in Berlin lebende Künstler, Jahrgang 1971, ist seit Längerem mit der Hegenbarth Sammlung verbunden: Gemeinsamer Nenner ist das Interesse an einer ganz spezifischen Verbindung von visueller und textlicher Aussage, welche die klassische Buchillustration zwar selbstverständlich einschließt, aber doch noch weit darüber hinausgeht. Und, darf man sicher hinzufügen, Rott hat, wie seinerzeit Hegenbarth, eine Ader für die deutsche Dichtung der Renaissance und des Barock …

Das Gut Hohen Luckow, südlich von Heiligendamm und Rostock idyllisch gelegen, ist heute noch landwirtschaftlicher Betrieb, bietet aber in seinem eindrucksvollen Herrenhaus seit jeher einen Platz für Kulturelles. Seit dem März 2021 hat sich Bodo Rott wiederholt dort aufgehalten. Die Resultate sind nun in der Mecklenburger Diele, dem Ausstellungstrakt des Hauses, zu sehen. Hier muss gleich noch hinzugefügt werden, dass der künstlerische Arbeitsprozess keineswegs als abgeschlossen gelten kann: Vielmehr versteht sich die Schau als work in progress, das sich gegenüber einer stetigen Erweiterung und Veränderung offen hält. In der bäuerlichen Kulturlandschaft um Hohen Luckow sind Tiere ganz anders präsent als in der Großstadt und diese Tatsache war vielleicht zusätzliche Inspiration für den Künstler, sich bei seinen Besuchen tatsächlich eingehend einem tierischen Thema zu widmen.

Aber ach, das Leben auf dem Land ist kein Ponyhof für Bodo Rott! Es ist zwar ein Hof, aber hier nicht im Sinne von Landwirtschaft, sondern in dem von royaler Hofhaltung! Der König ist, na klar, der Löwe, Nobel geheißen, und vor ihm wird bittre Klage geführt über die Untaten des schändlichen Fuchses. Der Künstler hat sich Goethes Reineke Fuchs vorgenommen und lässt dessen Personal in zahlreichen Blättern aufmarschieren: so den Wolf Isegrim, den Kater Hinze, den Hasen Lampe und diverse Hühner, eines davon hört auf den schönen Namen Henning … Die Hauptrolle hat Reineke, sozialschädlicher Übeltäter, aber eben so intelligent wie durchaus auch charmant. Goethe hatte 1793 in der Reaktion auf die sozialen Umwälzungen der Revolutionsepoche in ironischer Zuspitzung auf mittelalterliche wie barocke Versepen zurückgegriffen: Es interessant, dass Bodo Rott seinerseits, in unserer Zeit der Veränderungen, einen solchen Stoff wählt, der Gesellschaftskritik verbindet mit ausgeprägtem Formbewusstsein.

 

Bodo Rott. Knittriger Horizont
26.6.2021 – 6.6.2022
Herrenhaus auf Gut Hohen Luckow
(Übernachtungsmöglichkeit gegeben!)
Rostocker Str. 23
D-18239 Hohen Luckow
Tel.: +49-30-23609999
Täglich 9 – 16 Uhr
Eintritt frei
www.guthohenluckow.de

Text: Dieter Begemann
Bild: Herrenhaus auf Gut Hohen Luckow
Erstveröffentlichung in kunst:art 80

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!