Ein acht Meter langes Skelett eines Schwertwals, daneben der mächtige Schädelknochen eines Finnwals: Die Leihgaben aus dem Meeresmuseum Stralsund stimmen gleich am Eingang im Museum LA 8 für Kunst und Technik in Baden-Baden spektakulär auf die aktuelle Ausstellung ein. Die hohe See ist bei aller Schönheit trotz vermeintlicher Überlegenheit des Menschen immer noch ein Ort unkalkulierbarer Risiken, im fortschrittlichen 19. Jahrhundert sah die Sache nicht anders aus. Wissenschaft und Technik erlaubten zwar eine immer erfolgreichere Bändigung der Natur, doch auf hoher See tobte das große Drama zwischen zivilisatorischer Beherrschung und natürlicher Gewalt weiter.
Das Gegenstück aller Gefahren der Meere war jedoch stets Faszination. Ernst Haeckels hoch ästhetische Wissenschaftsillustration von Scheibenquallen wird im musealen Kontext zum Kunstobjekt, das mit Hans Thomas und Max Klingers Meeresnymphen korrespondiert. Auch die profanen Schnitzereien der Seeleute auf Pottwalzähnen zeigen das geradezu erotische Versprechen der mythischen Meereswesen, das bis heute zum Freiheitsgefühl der Hohen See gehört. Gleichzeitig galt die See immer auch als Spiegel menschlicher Existenz. Alle technischen Geräte und Kunstwerke lassen die Besucher das Unterfangen nachvollziehen, ein Stück menschengemäße Festigkeit auf die wogende Oberfläche der Ozeane zu legen und mit einem Schiff auf große Fahrt zu gehen. Selbst auf kleinformatigen Skizzen von Andreas Achenbach schäumt das Meer unbändig auf gegen alle Vorausberechnungen. Der erste funktionierende Taucheranzug führt schließlich vor Augen, dass die Tiefsee ein so abenteuerlicher Kosmos war wie heute das Weltall.
Schön und gefährlich. Die hohe See im 19. Jahrhundert
5.6.2021 – 27.2.2022
Museum LA8
Lichtentaler Allee 8
D-76530 Baden-Baden
Tel.: +49-7221-97397690
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 3 – 5 €
www.la8.de
Text: Stefan Simon
Bild: Museum LA8
Erstveröffentlichung in kunst:art 80