Die sorgfältige Präparation einer eichenen Tafel, das Beschaffen von Kreide, das Sieben von Farbpulvern, deren Anreiben mithilfe eines schweren Läufers auf einer Glasplatte und, und, und… Die Herstellung eines Gemäldes war einst ein trickreiches Handwerk, dessen Geheimnisse mühsam erlernt werden mussten. Diesen heute oft in Vergessenheit geratenen Verfahren auf die Spur zu kommen, hat sich das Wallraf-Richartz-Museum vorgenommen. Die Bestände des Kölner Hauses boten dafür reiches Material: Mit der herkömmlichen Lupe, aber vor allem natürlich mit avancierten Hilfsmitteln wie Röntgenaufnahmen, Infrarotlicht und Stereomikroskopen wurden Gemälde aus einem halben Jahrtausend europäischer Kunst technologisch untersucht. Dabei blieb der forschende Blick nicht auf die Oberfläche beschränkt: Die Malschicht wurde gewissermaßen durchsichtig und gab den Blick frei auf Untermalungen, Grundierungen und schließlich den Bildträger. Die Forschungsergebnisse sind aufschlussreich, zuweilen gar erstaunlich und werden in der Ausstellung „Entdeckt!“ epochenübergreifend präsentiert.
Warum ein solcher Aufwand? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Zum einen ist so der Entstehungsprozess eines bestimmten Gemäldes besser zu verstehen: Hat der Künstler die orts- und zeitüblichen Verfahren benutzt oder hat er auf Entferntes zurückgegriffen? Was erzählen uns die verwendeten Farbstoffe oder Bindemittel über die Handelsbeziehungen der Entstehungszeit? Hat der Maler Korrekturen durchgeführt? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt? Schon bei der Untermalung oder erst nach Fertigstellung ganzer Bildpartien? Ist der Bildeindruck heute der vom Künstler beabsichtigte oder Resultat späterer Veränderungen (Siehe die Vermeer-Schau in Dresden!)? Die maltechnischen Aufschlüsse können aber auch äußerst hilfreich sein bei anstehenden restauratorischen Maßnahmen, bei denen immer größter Wert auf Reversibilität gelegt werden muss. Und schließlich, das wäre ein dritter Grund, könnte es ja auch sein, dass sich zeitgenössische Künstler, bei allen Vorzügen moderner Techniken (oder gar der digitalen), auch einmal anregen lassen von den Alten Meistern! In mancher Kunstakademie wird jedenfalls heute wieder die Herstellung einer Emulsion aus Walnussöl und Eigelb für die Temperafarbe geübt…
Von der ganz frühen Renaissance, dem Sieneser Simone Martini, bis zum Impressionisten Claude Monet aus dem späten 19. Jahrhundert, ein (sprichwörtlich) weites Feld … Der Rundgang durch die so faszinierende wie anschauliche Präsentation beginnt mit dem Bildträger: Holz, Papier, Leinwand oder auch Stein. Weiter geht es mit Grundierung und Unterzeichnung, aus der sich die Komposition und die Farbverteilung ganz allmählich herausschält. Oder doch lieber gleich auf einen Sitz, „alla prima“ malen? Technische und inhaltliche Aspekte überschneiden sich. Und nach den allfälligen Korrekturen schließlich der Firnis! Aber bitte Vorsicht: Hier lauert der Gilb! Ein fürwahr langer Weg vom Lehrling zum Meister …
Für einen seiner Lieblinge, den Maler Anselm Feuerbach, ist Dieter Begemann kein Weg zu weit!
Entdeckt! Maltechniken von Martini bis Monet
8.10.2021 – 13.2.2022
Wallraf-Richartz-Museum
Obenmarspforten
Am Kölner Rathaus
D-50667 Köln
Tel.: +49-221-22121119
Di – So 10 – 20 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 7 €
www.wallraf.museum
Text: Dieter Begemann
Bild: Wallraf-Richartz-Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 81