Kaum ein Material steht so für die industrielle Moderne wie der Stahl, ihn verbindet man gern mit Nüchternheit, Rationalität, gar Brutalität. Thomas Röthel hat da ganz andere Ideen: Der Bildhauer entlockt dem Industriewerkstoff überraschend zarte, ja geradezu poetische Wirkungen. Das Münchner Künstlerhaus lädt im Innenhof zu einer Ausstellung seiner aktuellen Arbeiten: Der Kontakt mit Licht und Luft im Freien bekommt den Werken gut, ihre dynamische Präsenz kann sich da bestens entfalten. Korrosion lässt auf den (stets unbehandelt belassenen) Stahloberflächen eine zuweilen überraschend warme Farbigkeit entstehen, die vom wechselnden Licht mal tief verschattet, mal hell beleuchtet wird. Der Stahl kann manchmal rau und hart wirken, dann aber wieder fast samtig. Dabei verändert sich natürlich auch die Wahrnehmung der Form: Hier ist es das Prinzip des 1969 in Ansbach geborenen Künstlers – er kam übrigens erst 1995, während des Studiums in Nürnberg, von der Holzbildhauerei zum Stahl –, seine raumgreifenden Skulpturen aus der Fläche zu entwickeln.
Die „natürliche“ Gestalt des Stahls ist die blockartige Bramme oder die Platte in verschiedenen Stärken: Sie kann durch Einschnitte gegliedert und dann unter Hitzeeinsatz auch partiell gebogen werden – in nur einer Richtung, oder, durch Torsion, auch in mehreren zugleich. Schneiden und Biegen bewirken den Übergang von der Zwei- zur Dreidimensionalität, ein Weg, der vom Betrachter zurückverfolgt oder weitergedacht werden kann.
Stahlskulpturen Thomas Röthel
7.10. – 3.12.2021
Münchner Künstlerhaus
Lenbachplatz 8
D-80333 München
Tel.: +49-89-5991840
Eintritt frei
www.kuenstlerhaus-muc.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Münchner Künstlerhaus
Erstveröffentlichung in kunst:art 82