Fotos, Bücher und Geschichte(n)

2.4. – 4.9.2022 | Kunsthalle zu Kiel

Die 1975 geborene Anette Kelm hat sich nach dem Studium in Hamburg eine bemerkenswerte Position in der deutschen Fotoszene erarbeitet: Porträts, Architekturen, Landschaften. Ihre sorgfältig gebauten, fast ausschließlich farbigen Aufnahmen könnte man leicht als lediglich dokumentarisch verbuchen. Auf einer zweiten Ebene aber schleicht sich ein zuweilen humoristischer, dann aber auch geradezu surrealistischer Zug ein: Die 14 Travertinsäulen im strengen tuskischen Stil, die da vor der Cannstatter Müllverbrennungsanlage, euphemistisch Recyclingpark genannt, aufragen, die können dort doch nicht tatsächlich stehen? Doch, sie tun es und Anette Kelms Fotografien der unwirklichen Szene führen leise, aber doch unaufhaltsam in die höchst wirklichen Abgründe der Geschichte. Denn die vor Ort geschnittenen Säulen waren für ein monumentales Berliner Mussolini-Denkmal bestimmt und wurden vom Besteller aus den bekannten Gründen nicht abgeholt …

In der Kunsthalle Kiel zeigt Kelm jetzt eine Ausstellung mit dem lapidaren Titel „Die Bücher“. Auch das ist nicht so harmlos, handelt es sich doch um der nationalsozialistischen Bücherverbrennung zum Opfer gefallene Werke aus dem reichen Schaffen der Weimarer Republik, denen leider auch in der Nachkriegszeit die verdiente öffentliche Würdigung allzu oft vorenthalten blieb. Kelm, die hier (wie auch sonst gern) in Serie arbeitet, möchte mit ihrer fotografischen Inszenierung zur damals ausgebliebenen Aufmerksamkeit einladen.

 

 

Annette Kelm. Die Bücher
2.4. – 4.9.2022
Kunsthalle zu Kiel
Düsternbrooker Weg 1
D-24105 Kiel
Tel.: +49-431-8805756
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 4 €
www.kunsthalle-kiel.de

Text: Dieter Begemann
Bild: Kunsthalle zu Kiel
Erstveröffentlichung in kunst:art 84