Von April bis September präsentiert das Saarlandmuseum eine Auswahl neuester Arbeiten der international renommierten Künstlerin Katharina Grosse. Im Erweiterungsbau der Modernen Galerie finden sieben Werke einer 2020 in Neuseeland begonnenen und noch im Schaffen begriffenen Serie großzügig Raum, sich dem Besucher in voller Farb- und Formgewalt zu zeigen. Die Ausstellung “Wolke in Form eines Schwertes“ zeigt Arbeiten, welche in ihrer Form die Grenzen zwischen Skulptur und Leinwandbild verschwimmen lassen. Besonders an der Serie ist, dass erstmalig in Grosses Werk etwas direkt auf die Leinwand Appliziertes gezeigt wird, so Dr. Deniz Pekerman, Direktor der Galerie Nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder. Zusätzlich aufgetragene Leinwandstücke halten geknotet meist wie welk herabhängende Zweige des Manuka-Baumes fest, welcher in direkter Nähe des Neuseeländer Ateliers zu finden ist. Auf einer zwar reduzierten, doch ausdrucksstarken Farbpalette bilden bogenhaft und stoffartig geschwungene Sprühlinien den Grund der Leinwand. Aufgetragenes wie Zweige und Leinwandfragmente erwecken beim Betrachter den Eindruck einer dynamischen Lebendigkeit des Bildes, es fällt dem Betrachter förmlich entgegen und irritiert die ruhevolle Kontemplation.
Die bewusst inszenierten Farbverläufe halten sich ebenfalls nicht an Grenzen, sondern erscheinen plötzlich und fliehen scheinbar willkürlich wieder aus dem Bild. Hierdurch verdeutlicht Grosse die Tatsache, dass ein Bild stets nur ein Ausschnitt bleibt, wenngleich ein Werk der Serie mit ebendieser Bildgrenze spielt und dem Betrachter gleich zwei mögliche Bildgrenzen eröffnet. Auf den ersten Blick wirken die Arbeiten wie aus einem Guss gefertigt, doch jedes Bild unterscheidet sich in einem wesentlichen Aspekt, besitzt ein Merkmal, das andere nicht haben und welches der Grundszene immer wieder eine neue Qualität zukommen lässt.
Die eingesetzte Spray-Technik mittels Sprühpistole erlaubt es Grosse ohne Widerstand zu malen, lässt sie Objektgrenzen überwinden und Aufgetragenes harmonisch in den Farbverlauf eingliedern. Auf diese Weise werden die Farbverläufe weder auf Stoff, Ast noch Leinwand unterbrochen, sondern laufen ungestört weiter, passen stimmig zueinander und ziehen Ast und Applikation optisch doch wieder in das Bild zurück. Hierdurch wirken die Arbeiten stimmig, irritieren jedoch auch. Erst von der Seite offenbart sich ihre in den Raum greifende Wirkung in Gänze. Die installativen Arbeiten fordern den Betrachter heraus, aktivieren ihn sich um das Werk herum zu bewegen, Teilen des Bildes zu folgen und neugierig zu erkunden. Auch die Arbeiten selbst scheinen den Ausstellungsraum zu erkunden, so wirkt es, als würde sich etwas aus jedem Bild emanzipieren. Ein Ast etwa berührt, aus der hängenden Leinwand kommend, den Boden, auf welchem der Betrachter steht, und durchbricht so die Grenze zwischen Kunstwerk und Betrachter.
Die Werke können als eine natürliche Folge, eine Art Schlussfolgerung aus Grosses vorangegangener Arbeit gesehen werden. Aus der Tradition der Farbfeld- und Pleinairmalerei kommend, führt sie die Auseinandersetzung mit Raum, Farbe, Landschaft, Grenzen und Malerei nun in die aktuelle Verschmelzung von Natürlichem mit Malerei und Skulptur über. Zu sehen sind die multidimensionalen, spannenden Werke bis Anfang September.
Katharina Grosse. Wolke in Form eines Schwertes
2.4. – 4.9.2022
Saarlandmuseum. Moderne Galerie
Bismarckstr. 11-15
D-66111 Saarbrücken
Tel.: +49-681-99640
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 7 €
www.modernegalerie.org
Text: Johanna Bayram
Bild: Saarlandmuseum. Moderne Galerie
Erstveröffentlichung in kunst:art 85