„Vor dem Café“: Lesser Urys Gemälde (aus den 1920er-Jahren) macht die Passanten im Gegenlicht der großen Glasscheiben des nächtlich erleuchteten Cafés zu kaum erkennbaren Silhouetten, die Autos, gleichfalls dunkle Schemen, ziehen ihre Spuren über den nassen Asphalt. Wir sind in der Moderne angekommen, malerisch in grellen Lichtern und breit gesetzten dunklen Pinselschlägen, die Einzelheiten verschlucken, thematisch in der Nacht, die die Großstadt mit künstlichem Licht für ihre rastlose Betriebsamkeit erobert. Die Ausstellung „Moderne und Idyll“ im Kreuzstall des Schleswiger Landesmuseums im Barockschloss Gottorf zeichnet den Weg des „Impressionismus in Deutschland“ nach. Am Anfang, natürlich, stehen dabei die Anregungen aus Frankreich, wo sich seit den 1870er-Jahren der neuartige Stil ausbreitete. Dabei ging es nicht nur um eine neue, raschere Malerei als Selbstzweck, sondern um eine adäquate künstlerische Antwort auf eine sich beschleunigende Welt.
Kein Wunder, dass diese so programmatisch moderne Kunst enge Beziehungen pflegte zur jüngst aufgekommenen Fotografie: Die Schleswiger Ausstellung widmet ihr deshalb einen gebührend breiten Auftritt. In der Malerei – mit etwa 180 Werken – belegen bekannte Künstler wie Max Liebermann oder Christian Rohlfs, wie der Impressionismus in Deutschland aufgenommen wurde. Heutzutage weniger prominente Namen wie Walter Leistikow und eben Lesser Ury machen klar, welches dynamische Potential in dieser Stilrichtung steckte.
Moderne und Idyll. Impressionismus in Deutschland
5.5. – 30.10.2022
Schloss Gottorf
Schlossinsel 1
D-24837 Schleswig
Tel.: +49-4621-813222
Di – Fr 10 – 17 Uhr,
Sa + So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 8 €
www.schloss-gottorf.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Schloss Gottorf
Erstveröffentlichung in kunst:art 85