Über die Freundschaft

5.5. – 13.8.2023 | Lentos Kunstmuseum Linz

Cornelia Gurlitt (1890 – 1919), Tochter des Dresdners Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt und Schwester von Hildebrand Gurlitt, auch bekannt als Kunsthistoriker und Hitlers Kunsthändler, war eine ambitionierte Grafikerin des deutschen Expressionismus. Den Aufstieg ihres Bruders in die höchsten Kreise der Nazi-Kunstadministration sollte die junge Zeichnerin, die im Ersten Weltkrieg an der Ostfront stationiert war, nicht mehr erleben. Im Jahr 1919 beging sie mit 29 Jahren Selbstmord.

„Mit jeder, die ich verließ, starb ein Stück meiner Seele“, heißt es in Paul Fechters Liebesroman „Die Gärten des Lebens“ zwanzig Jahre nach Cornelia Gurlitts Suizid. War es eine tragische Liebe zu dem ebenfalls in Wilna stationierten Kunstkritiker und Schriftsteller, welche die Künstlerin so früh in den Tod trieb?

In des Künstlers Anton Koligs (1886 – 1950) offizieller Biografie bleibt jedenfalls Cornelia Gurlitt, die er 1913 in Paris oder Dresden, wo sich der Maler aufhielt, kennenlernte, bislang unsichtbar. Dennoch schenkte er sein „Erstes Selbstbildnis“ aus dem Jahr 1915 seiner treuen Freundin und widmete ihr mit „Klage“ eines seiner expressiven Hauptwerke.

Im August 1914 hatten die deutschen Truppen das neutrale Belgien überfallen und versuchten nach Frankreich zu gelangen. Cornelia musste Paris verlassen und kehrte nach Dresden zurück. Freiwillig meldete sich die Künstlerin zum Dienst als Krankenschwester in Dresden. Diesen absolvierte sie im Rotkeuz-Lazarett-Ausstellungspalast in Dresden – wie so viele der jungen Frauen der bürgerlichen Schicht leistete auch sie freiwillig Krankendienst. Mit dabei immer auch ihre Malutensilien.

Den Ersten Weltkrieg verbrachte Cornelia Gurlitt von 1914 bis 1918 als Lazarettschwester in Wilna. In ihren Arbeiten aus dieser künstlerisch produktiven Zeit hielt sie die multikulturelle Atmosphäre der Stadt, darunter auch den Alltag in deren jüdischem Viertel, fest. Dabei zeichnete sie unter dem Einfluss von Marc Chagalls Werken zeichnete sie eine eigenwillige Vision dieser für die meisten Deutschen fremden Welt.

Die Aufarbeitung ihres bislang wenig bekannten Werkes hat begonnen und erhält mit der Ausstellung im Linzer Lentos-Museum erstmals einen weiteren Meilenstein zur Durchdringung ihres Künstlerlebens. Dabei beeindruckt die traumatische Direktheit, in der sie ihre Erfahrungen als Krankenschwester in den Lazaretten Wilnas in einem sehr dynamischen Stil, der surreale Elemente einschließt, künstlerisch zu Papier bringt.

Lang verborgene Arbeiten von Gurlitt, deren Œuvre noch nie in diesem Umfang in Österreich gezeigt wurde, sowie frühe Werke von Anton Kolig, der mit Oskar Kokoschka studiert hatte, sind nun erstmals in einen Dialog gerückt und es treffen spätexpressionistische Ölgemälde Koligs auf Zeichnungen und Grafik von Gurlitt.

Ein spannender Mix also, der durch die Kooperation mit dem Kunstmuseum Bern sowie dem Vilna Gaon Museum of Jewish History in Vilnius möglich wurde.

Sebastian C. Strenger ist Kunsthistoriker, Buchautor und gefragter Publizist im Feuilleton bedeutender Medien.

Cor­ne­lia Gur­litt & Anton Kolig. Rei­se der Herzen
5.5. – 13.8.2023
Lentos Kunstmuseum Linz
Ernst-Koref-Promenade 1
A-4020 Linz
Tel.: +43-732-70703600
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 11 €, erm. 5 – 9 €
www.lentos.at

Text: Sebastian C. Strenger
Bild: Lentos Kunstmuseum Linz
Erstveröffentlichung in kunst:art 91

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