Hand in Hand

bis zum 4.9.2023 I Kunstmuseum Wolfsburg

Enrico Baj, Roberto Crippa, Gianni Dova, Erró, Jean-Jacques Lebel und Antonio Recalcati, Grand tableau antifasciste collectif, 1960

Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt Gemeinschaftswerke von Dada bis heute

Was in vielen Berufen normal ist, ist in der Kunst, unabhängig von der Sparte, noch immer etwas Besonderes. Der Künstler ist in der Regel ein Individualist, ein Einzelgänger. Natürlich hat das auch ganz praktische Gründe, hat doch jeder Künstler seinen eigenen Stil, seinen eigenen Strich. Außerdem arbeiten auch viele Künstler in ihrem eigenen Tempo mit eigenen Techniken. Doch in Wolfsburg werden jetzt nicht die Künstler gezeigt, die nicht mit anderen zusammenarbeiten können, sondern jene, die ein wie auch immer geartetes Arrangement mit einem oder mehreren Kollegen getroffen haben.

In den vergangenen 100, 120 Jahren gab es mannigfaltige Formen der Zusammenarbeit oder der Kollaboration in der Kunst. Am häufigsten trifft man wohl auf Künstlerpaare, die zusammenarbeiten. Meist sind es verheiratete oder zusammenlebende Künstlerpaare, die mitunter über Jahrzehnte zusammenarbeiten. Am bekanntesten sind vermutlich „Gilbert & George“ oder „Eva & Adele“, doch es gibt auch weniger glamouröse Duos, wie zum Beispiel „Anna & Bernhard Blume“, die gemeinsam ein ganzes fotografisches Œuvre geschaffen haben. Selbstverständlich sind auch die Künstler-Duos zu erwähnen, die nur auf Projektbasis zeitlich begrenzt zusammengearbeitet haben.

In größeren Gruppen entstanden Werke bei den Dadaisten mit der gemeinsamen Aktionskunst oder auch bei Happenings in der Fluxus-Bewegung. In den 1960er-Jahren ist eines der bekanntesten Beispiele die gemeinsame Schaffung des Werks „Grand Tableau Antifasciste Collectif“ (1960), wo ein internationales Kollektiv gegen die Folter und Gruppenvergewaltigung einer algerischen Freiheitskämpferin durch französische Besatzungstruppen protestierte. Das Bild wurde von der Polizei beschlagnahmt und ein Vierteljahrhundert weggeschlossen.

In der bildenden Kunst ist die Basis kollektiven Arbeitens, am häufigsten des Arbeitens zu zweit an einem Werk, die Freundschaft zwischen zwei Künstlern. So zum Beispiel bei Dieter Roth und Arnulf Rainer, die sich gemeinsam betranken und halb im Suff auch gemeinsam zeichneten oder malten, wenn sie nicht aneinander gerieten …

Zu beachten ist, dass es stets um gleichberechtigte Zusammenarbeit geht. Das Atelier bekannter Künstler mit zahlreichen Helfern, die weisungsgebunden viele Arbeiten für den Künstler ausführen, zählt nicht zu den Gemeinschaftswerken. Der kreative Prozess darf nicht nur von einer Person ausgehen.

In der Ausstellung werden mehr als hundert Werke gemeinschaftlicher Autorenschaft gezeigt. Zu den Urhebern gehören unter anderem bekannte Künstler wie Salvador Dalí und Luis Bunuel, Jean Tinguely und Yves Klein, Georg Baselitz und Eugen Schönebeck und noch viele mehr.

Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt nicht nur Beispiele kollektiven Arbeitens in der Kunst, sondern geht selbst dabei auch mit gutem Beispiel voraus. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Mucem (Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers) in Marseille. Auch der dazugehörige Katalog wurde gemeinsam erarbeitet.

Christian Corvin lebt und arbeitet als freier Autor in Köln.

Freundschaften. Gemeinschaftswerke von Dada bis heute
bis zum 4.9.2023
Kunstmuseum Wolfsburg 
Hollerplatz 1
D-38440 Wolfsburg
Tel.: +49-5361-26690
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 10 €
www.kunstmuseum.de

Text: Christian Corvin
Bild: Kunstmuseum Wolfsburg
Erstveröffentlichung in kunst:art 92